Nach mehr als zwölf Jahren Entwicklungszeit für die elektronische Gesundheitskarte eGK fiel am 1. Juni der Startschuss für die Anbindung von Ärzten und Krankenhäusern an die neue Telematikinfrastruktur Gematik. In den nächsten 18 Monaten sollen 150.000 niedergelassene Ärzte, 50.000 Zahnärzte und 2000 Krankenhäuser sogenannte Konnektoren erhalten. Erst nach und nach – voraussichtlich ab 2019 – kommen die knapp 20.000 Apotheken und 2,3 Millionen anderen Heilberufe an die Reihe.
Und wie schon so oft hapert es erneut: Zunächst sind nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) nur Konnektoren der CompuGroup am Start. Der Branchenprimus Telekom lässt auf sich warten. Industrie und Auftraggeber schieben sich die Verantwortung für die Verspätung gegenseitig zu. Die Telekom verweist auf verschiedene nachträgliche Änderungen an der Konfiguration der Konnektoren. Auf der andere Seite heißt es, die Telekom habe nicht mit dem notwendigen Nachdruck an der Entwicklung gearbeitet. Im BMG zeigt man sich jetzt zuversichtlich, dass aufgrund des Marktdrucks auch die Telekom in Kürze Konnektoren wird anbieten können.
Ärzte erhalten pro Praxis zunächst eine Zuschuss von gut 3350 Euro für die Anschlusskosten. Dieser Betrag sinkt bei späterem Anschluss auf 2350 Euro. Zusätzlich gibt es für die Ärzte 900 Euro als einmalige Startpauschale. Damit sollen die Kosten für den Praxisausfall während der Installation abgedeckt werden. Für den Anschluss der Konnektoren werden circa vier Stunden veranschlagt.
Für die Apotheker gibt es eine solche finanzielle Starthilfe noch nicht. „Das ist Verhandlungssache der Selbstverwaltung“, heißt es dazu aus dem BMG. Ein genauer Zeitplan für den Anschluss der Apotheken an die Telematikinfrastruktur ist ebenfalls noch nicht Sicht. Das ist aber wichtig für den Start des elektronischen Medikationsplans. Voraussichtlich ab 2019 können die ersten Apotheken zugeschaltet werden.
Neben dem Medikationsplan und den Notfalldaten soll als eine der Anwendungen der eGK die elektronische Patientenakte rasch etabliert werden. Auf seiner Sommerreise stellte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) noch einmal klar, dass es sich dabei nicht um eine einheitliche Patientenakte handeln wird: „Es wird mehrere oder sogar viele Anbieter geben“, so Gröhe, „entscheidend ist, dass alle Patientenakten miteinander kommunizieren und mit der eGK abgerufen werden können.“ Die eGK bilde nur den „Schlüssel“ zur neuen Telematikinfrastruktur.
An der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) besichtigte Gröhe das Projekt NierenTx360°. Dort werden nierentransplantierte Patienten bereits mit einem eigen digitalen System nachversorgt. Dieses System ermöglicht via Videokonferenzen die Nachsorge der Patienten in Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Nierenspezialisten vor Ort. Das erspart den Patienten im Flächenland Niedersachsen lange Anfahrten zur Klinik in Hannover. Das Projekt TX360° wird mit sechs Millionen Euro aus dem Innovationsfonds unterstützt und startete im Februar 2017.
Bestandteil der Projekts ist bereits eine Patientenakte, die alle relevanten medizinischen Daten der nierentransplantierten Patienten enthält. Klinik, niedergelassener Nierenarzt und Patient haben Zugang zur Patientenakte, der Patient sogar über sein Smartphone. Das ermöglicht ihm im Fall von Komplikationen auch auf Reisen den Zugriff auf seine Daten und die Kommunikation mit der Klinik. Diese MHH-Patientenakte solle später in die Gematik.
Dafür fehlt aber noch ein weiter wichtiger Baustein der Telematikinfrastruktur: das Authentifizierungsverfahren. Sowohl Patienten als auch Ärzte und Krankenhäuser erhalten einen Zugangsschlüssel, der sicherstellen soll, dass nur berechtigte Personen die Daten der Patientenakte einsehen können. Der Patient kann zudem darüber bestimmen, welche Daten seine Ärzte abrufen können. Wenn das Authentifizierungsverfahren einsatzbereit sein wird, ist noch offen. Entscheidend ist das Authentifizierungsverfahren ebenfalls für den Start des elektronischen Medikationsplans.
Bundesgesundheitsminister Gröhe (CDU) wies auf seiner Sommerreise Spekulationen zurück, dass die eGK vor dem Aus stehe. Im Gegenteil habe sich in den letzten Monaten die Entwicklung beschleunigt, sagte Gröhe: „Die eGK kommt.“
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