Arbeitnehmer

Ärzte wehren sich gegen Tarifeinheit

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Berlin -

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hat einen Gesetzentwurf zur Tarifeinheit vorgelegt. Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB) schlägt Alarm und kritisiert die Pläne als „Frontalangriff auf gewerkschaftliche Rechte“. Auch die Apotheken könnten perspektivisch von den geplanten Gesetzesänderungen betroffen sein. Die Gewerkschaft Adexa prüft den Entwurf derzeit.

Mit dem neuen Gesetz soll die Macht kleinerer Gewerkschaften eingeschränkt werden. Konkurrierende Gewerkschaften – wie etwa die Lokführergewerkschaft DGL und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG – sollen sich auf eine gemeinsame Linie verständigen. Im Zweifelsfall soll für eine bestimmte Berufsgruppe der Tarifvertrag der Gewerkschaft gelten, die mehr Mitglieder hat.

Das Gesetz schaffe Möglichkeiten zur Konfliktlösung in Fällen, in denen Tarifverträge unterschiedlicher Gewerkschaften aufeinanderstoßen, heißt es beim Arbeitsministerium. Für den Fall, dass es auch mit diesen Mechanismen nicht zu Lösungen komme, könnten dann Mehrheitsverhältnisse geklärt werden und im Zweifel Gerichte über die Verhältnismäßigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen entscheiden. Das Gesetz stärke die Tarifautonomie und greife nicht ins Streikrecht ein, betont das Ministerium.

Das sieht der MB anders. Denn im Konfliktfall würden die Verträge kleinerer Gewerkschaften ihre Gültigkeit verlieren, heißt es bei der Ärztegewerkschaft. Damit würde aber auch das verfassungsrechtlich geschützte Streikrecht eingeschränkt – denn es darf nicht gestreikt werden, wenn sich das verfolgte Ziel nicht tariflich regeln lässt. Das ist aber der Fall, wenn nur der Vertrag der größeren Gewerkschaft gilt.

In den Kliniken konkurriert die Ärztegewerkschaft mit Verdi. Mediziner stellten ungefähr 15 Prozent der Beschäftigten in den Krankenhäusern, erklärt MB-Chef Rudolf Henke im Handelsblatt. Je nach Klinik seien die Ärzte zu bis zu 90 Prozent im MB organisiert. „Selbst wenn wir auf einen Organisationsgrad von 100 Prozent kämen, könnte Verdi uns schon ausschalten, wenn sie in der Verwaltung, beim Pflegepersonal und in anderen Bereichen nur ungefähr jeden fünften Beschäftigten organisiert.“

Er kritisiert, dass die Regierung durch den Zwang zur Tarifeinheit massiv in die grundgesetzlich geschützte Koalitionsfreiheit eingreife. „Es kommt einem offenen Verfassungsbruch gleich, wenn der Staat bestimmten Arbeitnehmergruppen das Recht verwehrt, unabhängig und eigenständig tarifpolitisch tätig zu sein“, kritisiert Henke.

Ohne jede Chance auf einen wirksamen eigenen Tarifvertrag würden Minderheitsgewerkschaften im Betrieb zum Stillhalten gezwungen. Jeder Aufruf zum Streik sei dann grob rechtswidrig und würde von Arbeitsgerichten sofort als unverhältnismäßig eingestuft. Henke erklärt:„Damit entsteht ein implizites Streikverbot für Minderheitsgewerkschaften.“

Aus Sicht von Henke haben Berufsgewerkschaften die gleiche Existenzberechtigung wie Industriegewerkschaften. Die Erfahrungen aus der Zeit, als große Gewerkschaften noch allein über die Tarifpolitik bestimmen konnten, seien den Ärzten und anderen Berufsgruppen in unguter Erinnerung. „Es macht daher auch einen grundlegenden Unterschied, ob man als kleinere Gewerkschaft im Bewusstsein eigener Stärke freiwillig Abmachungen mit der größeren Gewerkschaft treffen kann oder unter dem Druck der Verhältnisse einer sonst drohenden Tarifeinheit in eine Kooperation gezwungen werden soll“, sagt Henke.

In Apotheken verhandelt bislang ausschließlich die Adexa Tarifverträge – eine Konkurrenzsituation entsteht damit zumindest zur Zeit nicht. Allerdings könnte es zu Konflikten kommen, wenn sich eine weitere Gewerkschaft herausbilden würde, die Tarifverträge für Apothekenmitarbeiter verhandeln wollte. Dann müssten Mehrheitsverhältnisse geklärt werden. Über ihren Organisierungsgrad in Apotheken hält sich Adexa bedeckt.

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