Der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP) hat die Bundesregierung für ihr Festhalten an Tamiflu (Oseltamivir) scharf kritisiert: „Völlig unverständlich“ befand der Verein die Reaktion der Bundesregierung auf aktuelle Studienergebnisse. Die Pharmazeuten fordern, die massenhafte Bevorratung mit Tamiflu zu stoppen, den aktuellen Pandemieplan sofort zu überarbeiten und die durch entstandenen Kosten offen zu legen. Außerdem verlangen sie eine Positionierung der ABDA.
Laut dem nationalen Influenzapandemieplan und den Länder-Pandemieplänen muss das Grippemittel vorrätig sein. „Der Einsatz von Arzneimitteln ohne klinisch relevanten Nutzen zu immensen Kosten allein aus Mangel an Alternativen ist grotesk und das Gegenteil von Verantwortung“, heißt es vom Verein.
Schon bei der Markteinführung von Tamiflu 2002 sei der Neuraminidase-Inhibitor umstritten gewesen. Einen klinisch relevanter Nutzen hätten entsprechende Studien nicht belegen können. Kürzlich hatte die Cochrane Collaboration durch die Auswertung bisher von Roche unveröffentlichter Studiendaten die geringe Wirksamkeit bestätigt.
Der VdPP kritisiert, dass immense Summen öffentlicher Gelder ausgegeben worden seien, ohne im Voraus auf die Offenlegung aller relevanten wissenschaftlichen Daten zu bestehen. Weltweit hätten Regierungen und Firmen laut VdPP bereits mehr als 7 Milliarden Euro für die Einlagerung ausgegeben. Die genaue Höhe der deutschen Ausgaben halte die Bundesregierung unter Verschluss, solange die Länder nicht ihre Zustimmung zur Veröffentlichung geben würden.
Die Bundesregierung müsse sicherstellen, in Zukunft nicht mehr „die Pille im Sack“ zu kaufen. Zudem müssten Studienergebnisse nicht erst ab 2016, sondern auch rückwirkend veröffentlicht werden.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) habe sich „ähnlich absurd“ geäußert wie die Bundesregierung: Demnach komme der Verzicht auf eine Arzneimitteltherapie aufgrund des unzureichenden Impfschutzes der Bevölkerung nicht in Frage.
Die Pharmazeuten kritisierten auch die ABDA: Die habe sich bisher nicht geäußert: „Kein Wort zu einem der größten Arzneimittelskandale der letzten Zeit von Seiten der Standesführung – wieder einmal ein gesundheitspolitischer Offenbarungseid“, kommentiert der Verein.
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