Lauterbach teilt „kritischen Beitrag“

SZ ordnet Apothekenreform ein

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Berlin -

Direkt nach der Veröffentlichung der Pläne des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zum Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) blieb er aus, der mediale Aufschrei. Es gab keine Einordnung der Vorhaben und deren Auswirkung auf die Apotheken- und Versorgungslandschaft. Doch nun legt die Süddeutsche Zeitung (SZ) nach und hat mit zwei Inhabern und der Treuhand Hannover gesprochen, was die Reform für die Betroffenen bedeuten würde. Und auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) teilte den gestern erschienenen Beitrag auf seinen sozialen Kanälen mit den Worten: „Kritischer Beitrag zu unserer Apothekenreform, aber lesenswert.“

Die SZ-Autorin Elisabeth Dostert hat mit zwei Apothekern gesprochen, Mike Beyer aus Teltow im Berliner Speckgürtel und Dietmar Wolz, der in Kempten die Bahnhofs-Apotheke betreibt (laut Bericht „eine Apotheke samt Zweigstelle und 300 Mitarbeitern“). Auch Beyer ist kein Unbekannter: Er durfte kürzlich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei sich in der Apotheke begrüßen, die in dessen Wahlkreis liegt. Beim Termin vor drei Monaten klärte er den Kanzler bereits auf, welche Folgen die Reformpläne von Lauterbach hätten. „Nichts an Lauterbachs Entwurf ärgert die Apotheker mehr als der Vorschlag, dass es Apotheken ohne Apotheker geben soll, aus Sicht der Branche wären das bloß Light-Apotheken“, weiß auch die SZ-Autorin.

Anschließend geht der Bericht auf die verschiedenen Anpassungen ein, die die Reform bereithält. Diese sind nun durch den Referentenentwurf noch einmal konkreter geworden, erläutert Beyer der SZ. Zusammen mit einem Rechenbeispiel der Treuhand wird klar: Zwar verdienen Apotheken den Reformplänen zufolge bald mehr an günstigen Arzneimitteln, dafür aber deutlich weniger an Hochpreisen.

Die Abgabe würde unattraktiver, die Versorgung schwerkranker Patient:innen damit verlustreicher für die Apotheken. „Bis zu einem Einkaufspreis von 65 Euro erhöhe sich der Rohgewinn 2026 im Vergleich zu heute, darüber sinke er. Liegt der Einkaufspreis bei mehr als 1000 Euro, verringere sich der Rohgewinn um ein Viertel bis ein Drittel“, zitiert die SZ Guido Michels von der Treuhand. Apotheken mit vielen Hochpreiser-Verordnungen wären damit auf der „Verliererseite“.

Deutliche Positionen der Apotheker

Auch die Treuhand weiß, dass diese Umverteilung, die Kostensteigerungen nicht kompensieren kann. Dem Bericht zufolge käme hier bei Apotheke Beyer das deutliche Gefühl auf, Lauterbach wolle die Apotheken schwächen. Dass darunter auch die Versorgung der Patient:innen leiden wird, solle er „auch ganz klar so öffentlich kommunizieren“. Dass schon jetzt das Skonto-Urteil ins Kontor der Apothekerschaft schlägt, macht Beyer ebenfalls deutlich. Bahnhofs-Apotheker Wolz spricht zudem die Frage nach den PTA an, die die Light-Filialen künftig übernehmen sollen. Diese seien immerhin heute schon schwer zu finden. Zudem seien Lauterbachs Ideen ein „Flickwerk“, das EU-Versender völlig ausklammere.

Lauterbach bei X: „Telepharmazie kann helfen“

Lauterbach teilte den SZ-Artikel gestern via Facebook und X: „Kritischer Beitrag zu unserer Apothekenreform, aber lesenswert. Die Idee, dass immer rund um die Uhr Apotheker in Apotheke sein müssen, führt dazu, dass es im ländlichen Raum und in Vorstädten immer weniger Apotheken gibt“, schreibt er dazu. „Telepharmazie kann hier helfen“, so seine Meinung. Darunter finden sich zahlreiche Kommentare, der Tenor gemischt. Von: „Wer braucht überhaupt noch Apotheken?“ bis zu themenfremden Diskussionen ist hier viel dabei.

Auch eine Apothekerin meldet sich zu Wort: „PTA für so einen Job gibt es aber blöderweise dank mieser Gehälter wegen des wirtschaftlichen Drucks auch nicht genug. Und sobald man deshalb anfängt, Apothekenpersonal auskömmlich zu bezahlen, hat man auch wieder ausreichend Apotheker zur Verfügung und braucht so einen Twist gar nicht“, schreibt sie auf X. Was auch erneut deutlich wird: Das, was Lauterbach hier als Telepharmazie bezeichnet, also die Zuschaltung einer Apothekerin oder eines Apothekers in der Apotheke, entspricht nicht dem, was die Bevölkerung unter Telepharmazie versteht.

Proteste bei der „Hessenschau“

Der SZ-Bericht geht zudem auf die anstehenden Proteste in Hessen ein – genauso wie die „Hessenschau“ heute. Da die Apotheken Donnerstag und Freitag geschlossen bleiben, sollten Patient:innen ihre Rezepte lieber schon vorher einlösen, heißt es hier. Zu Wort kommt auch der Präsident des Hessischen Apothekerverbandes (HAV), Holger Seyfarth. Auch er bezeichnet Lauterbachs Pläne als „Todesstoß für den gesamten Berufsstand“. Das ApoRG hätte in der jetzt angedachten Form verheerende Auswirkungen für den Markt. „Nach unseren Berechnungen verursachen Lauterbachs Vorhaben perspektivisch weitere Einbußen in Höhe von 170 Millionen Euro für die Apotheken in der Bundesrepublik“, so Seyfarth.

Die „Hessenschau“ geht zudem darauf ein, dass es zu weiteren Protesten kommen könnte, da die Apothekerschaft noch versuche, gegen das geplante Gesetz anzukommen. Auch Seyfarth stellte bereits klar, noch einmal entschlossen verdeutlichen zu wollen, „welchen destruktiven Weg das BMG da gerade einschlägt“. Diese „Scheinreform“ hätte „existenzgefährdende Defizite für die Apotheken“, zitiert ihn die „Hessenschau“ abschließend.

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