Syrische Apotheker: „Dankbar für alle, die hierbleiben“ Laura Schulz, 13.12.2024 15:05 Uhr
Syrien erlebt gerade so etwas wie Deutschland damals beim „Mauerfall“, heißt es vielfach in den Medien. Anders als damals in Deutschland ist im Nahen Osten derzeit aber schwer abzuschätzen, wohin sich das Land entwickelt. Trotzdem werden mitten im Wahlkampf bereits Diskussionen um Rückreisen initiiert – die Landesapothekerkammer Thüringen (LAKT) positioniert sich hier klar und sieht syrische Pharmazeut:innen als extrem wichtig für Thüringen an.
Laut LAKT seien politische Debatten um Rückreisen mit Anreizen, wie unter anderem vom früheren Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angestoßen, riskant und „mit ganz konkreten Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung in Thüringen verbunden“. Mehr als 50 Apotheker:innen aus Syrien arbeiten derzeit im Bundesland. „Damit haben knapp 3 Prozent aller Apothekerinnen beziehungsweise Apotheker im Freistaat einen syrischen Pass“, rechnet die Kammer vor.
Hinzukämen noch die Apotheker:innen ohne deutsche Approbation, die beispielsweise derzeit als PTA in den Apotheken arbeiteten, beispielsweise weil sie noch im Anerkennungsverfahren stecken. „Sie bauen sich damit nicht nur ihre eigene Zukunft in unserem Land auf, sie helfen als zukünftige pharmazeutische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Apotheken auch mit, die Arzneimittelversorgung in den kommenden Jahren zu sichern“, so die Kammer.
„Wenn sich die Kolleginnen beziehungsweise Kollegen zu einer Rückkehr entschließen, dann verdient diese Entscheidung Respekt angesichts der derzeit unklaren Gefahrensituation“, sagt LAKT-Geschäftsführer Danny Neidel. „In Syrien muss eine flächendeckende Gesundheitsversorgung erst wieder aufgebaut werden und dabei ist pharmazeutische Hilfe dringend erforderlich. Uns muss aber auch klar sein, dass jede Kollegin und jeder Kollege, die diese Aufgabe annehmen, bei uns eine menschliche und fachliche Lücke hinterlässt.“
Auch wenn die Zahlen der syrischen Apothekerinnen nicht besonders hoch erscheinen, so zähle in Zeiten des Apothekensterbens – auch aufgrund mangelnden Nachwuchses – doch jede:r Approbierte, so die Kammer. „Wenn Sie mich fragen, dann wünsche ich mir, dass alle unsere syrischen Mitglieder in Thüringen bleiben“, meint Neidel. Wer zurückkehren wolle, solle dies natürlich tun, ein Wegschicken könne man sich aber nicht leisten. „Ich persönlich bin sehr dankbar für alle, die hierbleiben wollen und für die Thüringen eine neue Heimat geworden ist, die sie mitgestalten wollen.“
Scholz will keine gut integrierten Syrer wegschicken
Auch nach dem Sturz von Baschar al-Assad in Syrien möchte Bundeskanzler Olaf Scholz keine syrischen Flüchtlinge zurückschicken, die gut in Deutschland integriert sind. Das versicherte der SPD-Politiker im Podcast „Apokalypse & Filterkaffee“ von Micky Beisenherz. Wer gut integriert sei, die deutsche Sprache spreche und einen Arbeitsvertrag habe, könne sich in Deutschland sicher fühlen. „Das gilt auch für die Syrerinnen und Syrer“, betonte Scholz. „Die werden wir auch nicht auffordern, ihre Arbeit zu kündigen und zu gehen.“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte nach dem Umsturz in Syrien bereits vor negativen Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt gewarnt – vor allem im Gesundheitssektor. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach von über 6000 syrischen Ärztinnen und Ärzten, die voll integriert und für die Versorgung unabkömmlich seien. „Eine parteipolitische Wahlkampf-Debatte für schnellstmögliche Abschiebungen (‚Charterflüge‛) muss diese Menschen zutiefst enttäuschen und verunsichern", schrieb er auf der Plattform X.