Selbsttötung

Keine BtM zum Suizid – ohne Ausnahme

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Berlin -

In Deutschland dürfen keine Betäubungsmittel in tödlicher Dosis verschrieben oder abgegeben werden. Das hat das Verwaltungsgericht Köln entschieden. Ein Mann aus Braunschweig hatte im Namen seiner inzwischen in der Schweiz verstorbenen Frau geklagt. Er kritisiert, dass sie gezwungen worden sei, ihren Sterbewunsch durch eine „menschenunwürdige Gestaltung oder Sterbetourismus herbeizuführen“. Die Richter halten die deutsche Regelung hingegen für verhältnismäßig. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung wurde die Berufung zugelassen.

Nachdem die Frau 2002 von einer Treppe gefallen war, war sie hochgradig querschnittsgelähmt, wurde künstlich beatmet und litt unter ständigen Schmerzen. Sie äußerte wiederholt den Wunsch zu sterben. Aus diesem Grund trat sie der Schweizer Sterbehilfe-Organisation Dignitas bei.

Weil eine Reise in die Schweiz sie aber „kaum hinzunehmenden Belastungen“ ausgesetzt hätte, stellte sie im November 2011 beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen Antrag: Einem Apotheker sollte es erlaubt werden, 15 g Natrium-Pentobarbital an Dignitas abzugeben.

Das BfArM, bei dem auch die Bundesopiumstelle angesiedelt ist, lehnte diesen Antrag im Dezember ab: Das Betäubungsmittel dürfe lediglich verwendet werden, um die „notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung“ sicherzustellen. Davon könne aber nicht gesprochen werden, wenn das Präparat dazu eingesetzt werden soll, einen Suizid zu ermöglichen. Der Ehemann legte Widerspruch ein, das BfArM wies ihn Anfang März zurück. Wenige Tage zuvor hatte seine Frau in der Schweiz den Suizid durchgeführt.

Der Ehemann klagte daraufhin vor dem Verwaltungsgericht Köln. Das Gericht wies die Klage des Mannes allerdings zurück, weil nicht er selbst, sondern seine Frau in ihren Rechten verletzt worden sei. Der Mann versuchte es anschließend in allen Instanzen: Sein Antrag auf Berufung wurde abgelehnt, seine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Schließlich reichte er im Dezember 2008 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Beschwerde gegen Deutschland ein.

Die Richter in Straßburg entschieden im Juli 2012, dass das Recht des Mannes auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt worden seien, indem seine Klage abgewiesen worden sei, ohne die Gründe zu prüfen. Der Fall ging zurück an das Verwaltungsgericht.

Die Richter entschieden nun, dass das BfArM den Antrag zu Recht abgelehnt hat. Es sei zwar zutreffend, dass zur notwendigen medizinischen Versorgung auch die Versorgung mit schmerzstillenden Medikamenten am Lebensende gehöre – selbst wenn als Nebenwirkung ein schnellerer Tod eintrete. Dies sei aber medizinisch und ethisch streng abzugrenzen von der Abgabe zur gezielten Lebensbeendigung.

Den EU-Staaten werde im Rahmen der Menschenrechtskonvention ein weiter Beurteilungsspielraum eingeräumt. Dies umfasse auch die Möglichkeit, Sterbehilfe durch die Verschreibung oder Gewährung tödlicher Medikamente auszuschließen. In nur vier Staaten sei es erlaubt, dass Ärzte ein tödliches Medikament verschreiben. In einigen Ländern seien – wie in Deutschland – nur bestimmte Formen der passiven Sterbehilfe erlaubt. Die große Mehrheit der Staaten verbiete aber jegliche Form der Beihilfe zur Selbsttötung.

Die deutsche Regelung diene dem Schutz des Lebens, so die Richter. Die Vorschrift ziele darauf ab, Menschen vor den Gefahren einer versehentlichen oder absichtlichen Einnahme eines gefährlichen oder tödlichen Betäubungsmittels zu schützen. Besonders Menschen, die sich in einer schwierigen oder verzweifelten Lebenssituation befinden, sollen geschützt werden.

Daher ist aus Sicht der Richter das Verbot, Betäubungsmittel zum Suizid einzusetzen, auch ohne Ausnahmen verhältnismäßig. Die beiden hochrangigen Rechtsgüter – Schutz des menschlichen Lebens und das Recht auf einen selbstbestimmten und würdevollen Tod – müssten abgewogen werden. Aus diesem Grund sei die Beihilfe zum Suizid straflos, die Verschreibung oder der Erwerb eines Arzneimittels zum Zweck der Selbsttötung aber nicht zulässig.

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