Apothekenstärkungsgesetz

Süddeutsche: Apotheker triumphieren über DocMorris

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Berlin -

Das geplante Apothekenstärkungsgesetz von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist ein Triumph der Apothekerlobby über die Versandapotheke Doc Morris – erkauft auf Kosten kleiner Landapotheken, die die ABDA geopfert hat, um ihre eigenen politischen Ziele durchzusetzen. Zu diesem Schluss kommt die Süddeutsche Zeitung (SZ) in einer längeren Politikreportage über die aktuelle Situation auf dem Apothekenmarkt. Die Essenz: Die Apotheken auf dem Land gehen nicht an ausländischen Versendern zugrunde, sondern an der ABDA.

Der wahre Feind von kleinen Apotheken in ländlichen Gebieten sind nicht die Versender, sondern die Funktionäre ihrer Standesvertretungen. Denn sie lassen die Schwächsten ihrer Zunft über die Klinge springen, um das bisherige Honorarsystem zu erhalten, das die großen Innenstadtapotheken bevorteilt. Zu dieser Schlussfolgerung kommt die Reportage der SZ-Journalistin Kristiana Ludwig.

Ludwig betreut das Thema regelmäßig bei der Süddeutschen – und ist damit in Apothekerkreisen schon mehrmals auf Widerstand gestoßen. Im Januar hatte sie in der größten deutschen Tageszeitung davon berichtet, die Apothekerlobby würde Spahn quasi händisch die Paragraphen in den Gesetzestext diktieren und damit einige Menschen in der Branche gegen sich aufgebracht. Diese Interpretation der Ereignisse wiederholt sie nun in ihrer heutigen Reportage und legt noch einen drauf. Sehr gut sei die Stimmung auf dem ABDA-Sommerfest gewesen. „Es gibt etwas zu feiern“, berichtet sie. „In den letzten Monaten haben die Lobbyisten des Apothekenverbands und ihre Unterstützer aus der Politik den Vorschlag des Gesundheitsministers auseinandergenommen. Mehrere Male musste Spahn ihn überarbeiten, einige Formulierungen der Lobby landeten fast wortgleich in den Papieren des Ministers.“

So sei das geplante Rabattverbot zustande gekommen. „Für den Verband der Apotheker ist das Ergebnis ein Triumph über den Onlineshop Doc Morris. Zumindest bis zur Gerichtsverhandlung in Luxemburg“, schreibt sie. „Für ihren Deal mit dem Minister haben die Berliner Apothekenlobbyisten allerdings auch etwas geopfert“, nämlich etwa die Hälfte des Geldes, das Spahn für Beratungen sowie Nacht- und Notdienste vorgesehen hatte. Das sei Geld, das kleinen Landapotheken geholfen hätte. „Dieses Opfer war ihnen der Sieg wert“, so Ludwig.

Als Symbol für die kleinen Landapotheker dient in der Reportage Christian Richter, Inhaber der Stadt-Apotheke in der brandenburgischen Kleinstadt Bad Wilsnack. Er dient aber auch als Symbol für den Kontrast zwischen dem multinationalen Versandriesen DocMorris und der provinziellen Apothekenlandschaft. „Im Fernsehen spricht Angela Merkel, es geht um Europa und grenzüberschreitende Antworten auf die Probleme der Bürger“, berichtet sie vom Besuch des Apothekers bei einer Patientin. „Doch hier, in Bad Wilsnack, liegen die Lösungen selten jenseits der Kleinstadtgrenze.“

Wenn Ludwig Richters Arbeit beschreibt, ist ihre Anerkennung für seine Leistungen nicht nur zwischen den Zeilen zu lesen: „Im Notfall kommt er vorbei, auch in der Nacht klingeln Nachbarn Richter aus dem Bett“, heißt es da. Sie beschreibt sein ehrenamtliches Engagement im Ort und merkt an: „Auch vieles von dem, was er als Apotheker tut, ist ehrenamtlich.“ Damit meint sie die Beratung, zu der eben auch öfter gehört, einem Patienten von der Einnahme eines Mittels abzuraten. Genauso beschreibt sie, welchen Nutzen seine Nacht- und Notdienste der Bevölkerung bringen. Und dass er als Landapotheker eben nicht von der reinen Masse abgegebener Packungen leben kann. „Dabei entspricht das Prinzip Masse nicht Richters Rolle: Für die Nachbarn zählt nur, dass er da ist.“

Richter stellt damit in Ludwigs Reportage auch das Opfer dar – nicht der ausländischen Versender, sondern der eigenen Standesvertretung. Denn DocMorris sei nur der Sündenbock: „Wenn ein Apotheker hundert Rezepte hat und der Versandhandel einen Marktanteil von 1 Prozent, dann hat der Apotheker deswegen gerade mal ein Rezept weniger“, zitiert sie DocMorris-Cheflobbyist Max Müller, den sie in Heerlen besucht hat. „Wenn er daran pleitegeht, hat er ökonomisch ein anderes Problem.“ Auf das Zitat kommt sie später mit eindeutigem Urteil zurück: „Müllers Rechnung stimmt“, schreibt sie klipp und klar.

Denn das Problem sei nicht der Marktanteil der Versender, sondern „eher die Art und Weise, wie Apotheker ihr Geld verdienen“, paraphrasiert sie die „Wissenschaftler“, die sich in den vergangenen Jahren am Apothekenmarkt abgearbeitet haben. „Denn während das Prinzip Masse für jemanden wie Christian Richter im dünn besiedelten Brandenburg zur wirtschaftlichen Schwierigkeit wird, gibt es andere Pharmazeuten, die damit hervorragende Geschäfte machen.“ Das System der festen Arzneinmittelpreise nutze nämlich vor allem den Apotheken, die einen großen Umsatz machen.

Die Essenz des Gedankens: „So betrachtet, ist der Gegner der kleinen Pharmazeuten nicht allein ein übermächtiger Onlineshop. Es sind auch die Apotheker, die das heutige Honorarsystem um jeden Preis bewahren wollen. Funktionäre, die bei Politikern darauf pochen, dass sich nichts verändert. Selbst dann, wenn dieses System – so wie Christian Richter sagt – kaum Anreize bietet, auf dem Land oder am Stadtrand zu arbeiten. Die Gegner der kleinen Pharmazeuten sitzen also auch in ihren eigenen Apothekerverbänden.“

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