Patienten erhalten Methadon-Rezepte Nadine Tröbitscher, 16.11.2016 14:02 Uhr
Drogenabhängige Patienten werden älter; ihre Substitutionstherapie sollen Betroffene daher künftig auch in ihren Alters- und Pflegeheimen und Hospizen erhalten. Das Aushändigungsverbot für Rezepte soll ebenfalls wegfallen. So sieht es ein Entwurf des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zur Änderung der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) vor, der nach mehr als einem Jahr vorliegt und dem der Bundesrat noch zustimmen muss.
Eine Substitutionstherapie erhalten Patienten, die durch den Missbrauch illegaler erworbener Opioide abhängig geworden sind. Die Behandlung kann als Dauersubstitution erfolgen, verfolgt aber das Ziel der Substanzfreiheit. Patienten sollen durch die Therapie ihre gesundheitliche und soziale Situation verbessern und in der Gesellschaft integriert bleiben. Ein Substitutionsprogramm geht mit einer psychologischen Betreuung einher. Verwendet werden unter anderem Methadon, Levomethadon, Buprenorphin, retardiertes Morphin und Diamorphin.
Im Rahmen der Substitutionstherapie nehmen Patienten das entsprechende Medikament unter Aufsicht ein oder erhalten eine Take-Home-Verordnung. Bislang durften Patienten, die ihr Substitut einmal täglich unter Aufsicht einnehmen, keine Rezepte ausgehändigt werden. Lag Apotheken das Rezept körperlich nicht vor, weil es noch auf dem Weg war, konnte der Patient nicht versorgt werden. Im Rahmen des Stellungnahmeverfahrens wird dieses Verbot beraten; es könnte in Zukunft wegfallen, um Ablauf reibungsloser zu machen.
Die Voraussetzungen für den Beginn einer Substitutionstherapie, zum Beikonsum, zur Verschreibung zur eigenverantwortlichen Einnahme und zur psychologischen Betreuung werden von den bundesrechtlichen Regelungen der BtMVV in das Richtlinienkonzept der Bundesärztekammer (BÄK) überführt.
Der Kreis der Einrichtungen, denen Substitutionsmittel zum unmittelbaren Verbrauch überlassen werden, soll auf stationäre Einrichtungen zur Rehabilitation, Gesundheitsämter, Alten- und Pflegeheime und Hospize ausgeweitet werden. Bei ambulantem Versorgungsbedarf dürfen künftig Pflegedienste und Ärzte im Hausbesuch die Patienten versorgen. Hintergrund der Neuregelung ist das Erreichen eines höheren Lebensalters von Substitutionspatienten und die damit verbundene Pflege. Derzeit können die Präparate beim Arzt oder in der Apotheke eingenommen werden; Patienten müssen einmal wöchentlich die Arztpraxis aufsuchen, um über den Arzt-Patient-Kontakt die Therapie und deren Erfolg zu überwachen.
Die Kernvorschriften der Substitutionstherapie in §5 BtMVV werden neugefasst und Vorschriften für die Substitution mit Diamorphin in den neuen § 5a BtMVV überführt. Die Maßnahmen sollen den behandelnden Ärzten mehr Rechtssicherheit geben und die Motivation fördern, Substitutionspatienten zu versorgen.
Eine Substitution mit Diamorphin ist bei Patienten, die das 23. Lebensjahr vollendet haben, indiziert. Betroffene müssen mindestens seit fünf Jahren opioidabhängig sein, überwiegend intravenös konsumieren und von schwerwiegenden somatischen und psychischen Störungen betroffen sein. Ebenso sind zwei bereits erfolglos beendete Therapien, von denen eine mindestens sechs Monate mit einem anderen Substitut und psychologischer Betreuung erfolgt sein muss, Voraussetzung für ein Diamorhin-Programm.
Nach früheren Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sind 75.400 von den bis zu 300.000 Opioidabhängigen hierzulande in regulärer Substitution; von den circa 8400 Ärzten mit suchttherapeutischer Qualifikation seien aber nur 2731 in diesem Bereich tätig. Als Grund nannte die KBV hohen Dokumentationsaufwand, schlechte Vergütung, Gefahr von Kriminalisierung und restriktive Vergaberegelungen.
Vor drei Jahren hatten SPD und Linke sich im Bundestag für eine Verbesserung der Substitutionstherapie stark gemacht. Eine Lockerung des Dispensierrechts stand zwar in den Anträgen nicht konkret zur Diskussion, wurde aber von den Ärzten seit Jahren gefordert, auch von der Bundesärztekammer (BÄK).
Die ABDA hielt in ihrer Stellungnahme dagegen. Zusätzliche Optionen für die Abgabe von Betäubungsmitteln (BTM) durch Suchtmediziner unter Umgehung der Apotheken direkt an Patienten lehnten die Apotheker ab: Generell handele es sich bei der Substitutionsbehandlung ausnahmslos um geplante Behandlungsverläufe, sodass es gar keinen Bedarf für alternative Bezugswege gebe. „Soweit unter Gesichtspunkten der Convenience für eine Abgabeberechtigung der in der Substitutionstherapie tätigen Ärzte eingetreten wird, stellt sich in besonderer Weise die Frage, ob diese im Verhältnis zu Aspekten der Arzneimittelsicherheit überwiegen können“, schrieb die ABDA weiter.