Substitutionsausschlussliste

Einmal aut-idem und zurück

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Berlin -

Eigentlich sollte die Aut-idem-Liste Patienten und Apothekern das Leben leichter machen. Nach einem Jahr kann man sagen: Dieses Ziel wurde mitnichten erreicht. Inzwischen wünschen sich die Apotheker sogar die pharmazeutischen Bedenken zurück. Doch der Stein rollt: Derzeit wird schon über die zweite Tranche nicht austauschbarer Arzneimittel verhandelt.

Als die Schmerzliga eine Petition zum Austauschverbot von Opioidanalgetika in den Bundestag einbrachte, war der Druck auf die Politik groß. Die Schaffung einer Substitutionsausschlussliste wurde beschlossen. Mit ihrer Erstellung wurden der GKV-Spitzenverband und der Deutsche Apothekerverband (DAV) betraut.

Doch die Verhandlungen scheiterten: Die Kassen fürchteten um Einsparungen aus den Rabattverträgen und wollten möglichst wenig Wirkstoffe aufnehmen. Die Apotheker wollten hingegen lieber mehr Präparate aufnehmen und diese ganz von künftigen Ausschreibungen ausnehmen. Der Gesetzgeber übergab die Sache schließlich dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Die Apotheker haben seitdem nur noch ein sehr eingeschränktes Mitspracherecht. Die Auswahlkriterien für Wirkstoffe wurden entsprechend den Vorstellungen der Kassen sehr eng gehalten.

Der G-BA hatte den ersten Wirkstoffkatalog intern schon im September 2014 beschlossen, seit dem 10. Dezember 2014 gilt diese Aut-idem-Liste. Darauf stehen bislang acht Wirkstoffe: Levothyroxin, Levothyroxin/Kaliumiodid, Digitoxin, β-Acetyldigoxin, Phenytoin, Ciclosporin, Tacrolimus und Digoxin.

Demnächst soll die Liste erweitert werden: Der G-BA empfiehlt, sieben weitere Wirkstoffe aufzunehmen – allesamt Antiepileptika oder Opiodanalgetika mit verzögerter Wirkstofffreisetzung. Bereits seit Oktober 2014 berät die „Arbeitsgruppe Nutzenbewertung Substitutionsausschlussliste“ über die zweite Tranche. Bis März fanden insgesamt fünf Treffen statt. Am 8. April wurde im Unterausschuss Arzneimittel über die Beschlussvorlage beraten, die Einleitung des Stellungnahmeverfahrens beschlossen.

Insgesamt elf Verbände und Organisationen hat der G-BA angeschrieben und um Stellungnahme gebeten. Neben der ABDA sind dies die Herstellerverbände BPI, vfa, BAH und Pro Generika, die Arzneimittelkommissionen der Deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) und Zahnärzteschaft (AK-Z), der Deutsche Zentralverein Homöopathischer Ärzte, die Gesellschaft für Phytotherapie und die Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte.

Über die neuen Wirkstoffe herrschte im G-BA zunächst keine Einigkeit, schließlich verständigte man sich auf sieben neue Kandidaten: Von der Substitution ausgeschlossen werden sollen Buprenorphin in der Darreichungsform transdermale Pflaster (TTS), Carbamazepin, Oxycodon und Valproinsäure als Retardtabletten sowie in Tablettenform Phenobarbital, Phenprocoumon und Primidon.

In der Diskussion waren zunächst weitere Wirkstoffe aus der Gruppe der Opioide. Doch der G-BA sah bei den anderen vorgeschlagenen Substanzen, darunter Morphin, Hydromorphon, Fentanyl, Tillidin und Tramadol, keine Anhaltspunkte für ein Austauschverbot. Der G-BA berät unabhängig davon über weitere Wirkstoffgruppen, die von einer Substitution ausgeschlossen werden könnten. Darunter sind Inhalativa zur Behandlung von Asthma bronchiale/COPD und Dermatika zur Behandlung der Psoriasis.

Präparate mit Wirkstoffen von der Aut-idem-Liste dürfen in der Apotheke nicht substituiert werden. Rabattverträge, pharmazeutische Bedenken, Lieferengpässe – nichts von alledem rechtfertigt mehr einen Wechsel des Präparats. Selbst bei Wirkstoffverordnungen muss der Patient in die Arztpraxis zurückgeschickt werden, um sich ein eindeutiges Rezept zu holen. Die Kassen sehen bei der Abrechnung jedenfalls ganz genau hin.

Besonders problematisch gestaltete sich Ende des vergangenen Jahres die Abgabe von Tacrolimus: Das Präparat Tacpan von Panacea stand damals sowohl auf der Aut-idem-Liste als auch auf der Sperrliste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Auch Lieferengpässe beim Schilddrüsenpräparat L-Thyroxin haben gezeigt, dass die Aut-idem-Liste in der Praxis höchst unpraktikabel ist.

Beim DAV hat daher ein Umdenken eingesetzt: Bei der zweiten Tranche haben die Apotheker im Anhörungsverfahren dem Vernehmen nach schon auf die Bremse getreten – zur Überraschung anderer Beteiligter im Markt: Der Rückzug der Apotheker aus der inhaltlichen Diskussion zur Nicht-Austauschliste habe ihn überrascht, sagt der Vorsitzende des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI), Dr. Martin Zentgraf.

DAV-Chef Fritz Becker würde die Liste gerne wieder in der Zuständigkeit der Selbstverwaltung sehen. Doch davon wollen weder der GKV-Spitzenverband noch die Politik etwas hören: „Wir wären verrückt, wenn wir das Thema zum dritten Mal anfassen würden“, sagte der CDU-Gesundheitsexperte Michael Hennrich im April bei einer Veranstaltung des Branchenverbands Pro Generika.

GKV-Vize Johann-Magnus von Stackelberg stimmte zu: „Die Arzneimittel-Steuerung aus einer Hand im G-BA hat Charme. Über die Größe der Liste kann man sich unterhalten.“ Denn die anfängliche Idee einer umfangreichen Liste sei letztlich „ein Angriff auf die Kompetenz der Apotheker und Ärzte“, so Stackelberg. Becker fügte hinzu: „Wir sollten die Liste möglichst knapp halten und pharmazeutische Bedenken konsequent nutzen.“

Einig waren sich Becker und Stackelberg darin, dass es eine Lösung für Notfälle geben muss. Der DAV-Chef kann sich vorstellen, dass die Apotheker auch in diesen Fällen pharmazeutischen Bedenken geltend machen und dies entsprechend dokumentieren können. „Wir unterhalten uns weiter. Wir sind nicht glücklich, mit dem was wir haben.“

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