Thüringen

Streit um „Medikamenten-Tafel“

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Berlin -

Ein Modellprojekt der Stadt Eisenach sorgt unter den Thüringer Apothekern derzeit für Aufsehen: Bedürftige müssen in den teilnehmenden Apotheken bestimmte OTC-Präparate nur zur Hälfte bezahlen, den Rest kann die Apotheke bei Sponsoren in Rechnung stellen. Die Apothekerkammer hat sich in den vergangenen Wochen mit dem Projekt beschäftigt und jetzt gemeinsam mit dem Landesdatenschutzbeauftragten rechtliche Bedenken angemeldet.

 

Das Grundprinzip der Eisenacher Medikamenten-Tafel ist ähnlich wie das beim Projekt in der nordrhein-westfälischen Stadt Dülmen: Die Initiatoren haben eine Liste von 50 OTC-Medikamenten erstellt, auf die die Bedürftigen gegen Vorlage ihres Tafelausweises und eines grünen Rezeptes vom Arzt den Nachlass erhalten können.

Anders als bei einem Projekt in München zahlen die Apotheken den Rabatt aber nicht aus eigener Tasche: Jeweils am Quartalsende können sie die erlassenen 50 Prozent über einen Fonds abrechnen. Träger sind der Rotary Club, die Caritas und die Stadtverwaltung. Wie viele Apotheken sich an dem Projekt beteiligen, ist der Kammer nicht bekannt.

Weil viele Apotheker wissen wollten, ob sie teilnehmen können und ob ein landesweiter Roll-out geplant ist, hat die Kammer das Projekt auf den Prüfstand gestellt. Ergebnis: Insbesondere bei der OTC-Liste und der Weitergabe der Patientendaten an die privaten Projektträger gibt es „massive Bedenken“. Mit der Liste werde außerdem die Therapiefreiheit der Mediziner eingeschränkt.

 

 

Weil nicht alle Apotheken teilnehmen, sei auch die freie Apothekenwahl in Gefahr, heißt es im Prüfbericht. Die Kammer befürchtet auch ein Haftungsrisiko für Apotheker und Ärzte, da die vorgegebenen Medikamente bevorzugt verschrieben und abgegeben werden müssen. Auf Nachfrage teilten der Landesdatenschutzbeauftragte und die Landesärztekammer mit, dass auch sie gegen eine Durchführung des Projektes in ganz Thüringen sind.

Vor zwei Wochen ließ die Kammer ihre Delegierten über das Thema abstimmen; die Apotheker sprachen sich mehrheitlich dagegen aus. „Soziale Projekte dürfen weder die Tendenz zur Zwei-Klassen-Medizin verstärken noch Patienten in verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Rechten aufteilen“, heißt es in dem Beschluss.

Wenn sich Patienten ihre benötigte Selbstmedikation nicht mehr leisten könnten, wäre mehr Engagement der Kassen wünschenswert: „Die Kostenübernahme notwendiger Arzneimitteltherapien ist Aufgabe der GKV und darf nicht in privat organisierte Sozialprojekte abgeschoben werden.“

 

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