Der Streit um die tatsächlichen Arzneimittelausgaben der Krankenkassen im vergangenen Jahr geht in die nächste Runde: Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) hat am Donnerstag den neuen Arzneimittel-Atlas präsentiert. Danach stiegen die Arzneimittelausgaben der GKV um 516 Millionen Euro oder 2 Prozent auf 25,874 Milliarden Euro. Die Kassen widersprachen dem Ergebnis sowie der Vorgehensweise des beauftragten Institutes für Gesundheits- und Sozialforschung. Sie berufen sich auf die Zahlen des Arzneiverordnungs-Reports und gehen von deutlich höheren Steigerungsraten vor allem bei den patentgeschützten Arzneimitteln aus.
Wegen der Anpassung der Festbeträge durch das AVWG hätten die Kassen 555 Millionen Euro bei den Originalpräparaten gespart, so die Autoren des Arzneimittel-Atlas. Dagegen seien Arzneimittel im Wert von zwei Milliarden Euro mehr verbraucht worden. Der Bedarf liege bei vielen Indikationen noch über der Behandlungskapazität. Der Mehrverbrauch schließe diese Lücke und sei deshalb alles andere als Verschwendung, so die Autoren.
Beim Verbrauch müssten zudem die Faktoren Alter und Morbidität der Gesellschaft stärker berücksichtigt werden. Insgesamt seien die Mehrausgaben für Arzneimittel deutlich zurückgegangen. 2005 habe der Zuwachs noch bei fast zwei Milliarden Euro gelegen.
Die Kassen bewerten die Aussagen des Arzneimittel-Atlas kritisch. Dessen Interpretationen würden nicht durch Arzneimitteldaten gestützt, so das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO). Der von der VFA finanzierte Atlas beschränke sich zudem auf Umsatzveränderungen in ausgewählten Medikamentengruppen und biete daher keinen Fortschritt für die Analyse des deutschen Arzneimittelmarktes, so WIdO. Barmer-Chef Dr. Johannes Vöcking meinte, das Verhalten der Hersteller von Originalpräparaten komme einer Abzocke zum Schaden des Standortes Deutschland gleich.
Positiv äußerte sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) über die zweite Auflage des Arzneimittel-Atlas. Es sei heute möglich, eine sehr exakte Verordnungsanalyse zu erstellen, bei der Interpretation seien allerdings viele „Akteure von allerlei Sehstörungen belastet“, meinte Dr. Jürgen Bausch aus dem KBV-Vorstand. „Seit 20 Jahren sagen die Politiker, dass die Ärzte zu viel und zu teuer verschreiben“, beklagte Bausch. Er freue sich über eine Konkurrenz zum Arzneiverordnungsreport.
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