STIKO: Angriff auf Ausschreibungen APOTHEKE ADHOC, 27.08.2013 13:35 Uhr
Im vergangenen Jahr musste AstraZeneca ganze Chargen seines nasal zu
applizierenden Grippeimpfstoffs Fluenz vernichten. Die Rabattverträge
für injizierbare Impfstoffe hatten den Markt für die Neueinführung
praktisch dicht gemacht; nur die Barmer und die IKK classic bezahlen den
Impfstoff. Jetzt
empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) die Vakzine explizit für
Kleinkinder – und befeuert damit die Debatte um Ausschreibungen für
Impfstoffe.
In den aktuellen Impfempfehlungen wird für Kinder zwischen zwei und sechs Jahren mit entsprechender Vorerkrankung die Impfung mit einem attenuierten Lebendimpfstoff empfohlen. Diesem Kriterium entspricht nur Fluenz; die injizierbaren Impfstoffe enthalten Oberflächenantigene inaktivierter Viren.
Die ausführliche Begründung soll im nächsten Epidemiologischen Bulletin nachgereicht werden. In einer Pressemitteilung führt das Robert-Koch-Institut (RKI) aber aus, dass sich die Empfehlung konkret darauf bezieht, dass der Impfstoff nicht mehr mit einer Spritze verabreicht, sondern in die Nase gesprüht wird. „Damit erhofft sich die STIKO eine höhere Akzeptanz der jährlich zu wiederholenden Influenza-Impfung bei Kindern und Eltern und aufgrund der besseren Wirksamkeit eine größere Zahl vermiedener Krankheitsfälle“, so das RKI.
Nach der Empfehlung könnte es Fluenz in den Leistungskatalog der Krankenkassen schaffen – und den Markt durcheinander wirbeln. Denn folgt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) innerhalb der nächsten drei Monate der Expertenempfehlung, müssten die Kassen Fluenz zumindest bei Kindern erstatten; dieser Teil stünde für Rabattverträge nicht mehr zur Verfügung. Laut AstraZeneca kann Fluenz bereits jetzt auf der Grundlage der Empfehlung verordnet werden.
Zwar ist der Markt überschaubar: Von 14 Millionen Impfungen entfielen 2012 nur 500.000 auf diese Altersgruppe. Doch laut AstraZeneca geht es ums Prinzip: Deutschlandchef Dirk Greshake zufolge trägt die STIKO der „eindeutigen Studienlage“ Rechnung. Gerade für die betroffenen Kinder sei die Impfung wichtig.
Allerdings verhindere die Ausschreibungspraxis vieler Krankenkassen einen breiten Einsatz. „Eine flächendeckende Versorgung der Patienten, mit dem für sie am besten geeigneten Impfstoff kann nur gewährleistet werden, wenn von der derzeitigen Ausschreibungspraxis Abstand genommen wird.“
Ärzte und Apotheker fordern seit längerem ein Verbot von Exklusivausschreibungen für Grippeimpfstoffe – gerade wegen der immer wieder auftretenden Lieferschwierigkeiten. Bislang hatten sich die Kassen davon unbeeindruckt gezeigt, auch die Politik hat nicht reagiert.
Profitieren könnten von einer Abschaffung allerdings vor allem Spezialversender für Impfstoffe, die in der Vergangenheit bereits die zentrale Belieferung der Arztpraxen in Sachsen-Anhalt übernommen hatten.
Astra Zeneca hatte Anfang 2011 die Zulassung für Fluenz erhalten. Der Preis für Fluenz ist doppelt so hoch wie der Listenpreis für herkömmliche Grippeimpfstoffe: Eine Dosis kostet 23 Euro, Fertigspritzen gibt es ab elf Euro. Fluenz wird in jedes Nasenloch einmal appliziert. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen verminderter Appetit, Kopfschmerzen, Verstopfung der Nase, Rhinorrhoe und Unwohlsein.
Die Grippeimpfung wird empfohlen für Kinder und Erwachsene, die aufgrund eines Grundleidens wie Asthma/COPD, Diabetes, MS sowie anderer chronischer Erkrankungen oder Immundefizienz eine erhöhte Gefährdung haben. Auch Bewohner von Alters- oder Pflegeheimen sowie Personen mit direktem Kontakt zu Geflügel sollen geimpft werden.
Bei medizinischem Personal spielt es neuerdings keine Rolle, ob die betreuten Personen geimpft sind oder nicht, zumal die Influenza-Impfung keinen 100-prozentige Schutz biete, so die STIKO. Ältere oder immungeschwächte Menschen könnten somit indirekt von einem Impfschutz der sie betreuenden Personen profitieren.