Rabattverträge über Zytostatika gefährden aus Sicht des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) die Versorgung von krebskranken Patienten nicht. Das hatte die parlamentarische Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (CDU) gegenüber Kathrin Vogler, der gesundheitspolitischen Sprecherin der Linken, erklärt. Der Verband der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker (VZA) widerspricht und kritisiert die Haltung des BMG als „unverständlich und keineswegs zukunftsorientiert“.
Aus Sicht von VZA-Präsident Dr. Klaus Peterseim verkennen sowohl Widmann-Mauz als auch Vogler die „jetzt unmittelbar drohenden Gefahren für die wohnortnahe Arzneimittelversorgung von Krebskranken und das Recht auf freie Apothekenwahl in der Zukunft“. Zudem bleibe die Regierung deutlich hinter den Äußerungen der gesundheitspolitischen Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Maria Michalk, zurück.
Sie hatte bereits angekündigt, dass sich die Arbeitsgruppe Gesundheit der Union ernsthaft mit dem Thema befassen wolle. Es sei wichtig, dass die Patienten Vertrauen in die Einrichtung hätten, die sie versorge, und nicht „nehmen müssen, was sie kriegen“, sagte sie Anfang April auf der VZA-Jahrestagung. Ganz abgeschafft werden sollen die Ausschreibungen aber wohl nicht: „Ich stehe zu mehr Wettbewerb, aber die Auswüchse sind zu hinterfragen“, so Michalk.
Für Widmann-Mauz war die Sache eindeutig: Da die anwendungsfertigen Zubereitungen – unabhängig davon, welche Apotheke sie herstelle – zeitnah an den Arzt abgegeben würden, gebe es keine Gründe für eine Gefährdung.
Der Gesetzgeber habe den Krankenkassen ermöglicht, die Versorgung mit individuell hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung durch Verträge mit Apotheken sicherzustellen, führte Widmann-Mauz aus. „Ausschreibungen sind ein Anreiz für die Vertragsparteien zur wirtschaftlichen Versorgung.“ Vertragsärzte und Apotheker müssten sich daher an diese Selektivverträge halten, betont Widmann-Mauz mit Blick auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) im November 2015.
Vogler hatte sich erkundigt, welche Erkenntnisse die Bundesregierung über die Zahl der Zytostatika-herstellenden Apotheken in den vergangenen fünf Jahren habe. Außerdem sollte sich die Regierung zu der Befürchtung äußern, die AOK gefährde mit ihrer jüngsten Zytostatika-Ausschreibung die nahe und flexible Versorgung Schwerstkranker.
Peterseim fordert nun ein Gespräch mit Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), „damit die Bundesregierung die drohenden Gefahren der künftigen Arzneimittelversorgung Schwerstkranker in den Blick nimmt und handelt“. Den Hinweis der Bundesregierung, nach Erkenntnissen der ABDA sei die flächendeckende Versorgung mit onkologischen Arzneimitteln nicht gefährdet, kann Peterseim nicht nachvollziehen
Das Gegenteil ist aus seiner Sicht der Fall. So habe Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV), in seinem Lagebericht auf dem DAV-Wirtschaftsforum Zytostatika als für Ausschreibungen ungeeignet bezeichnet und gefordert: „Im Sinne der Patienten und einer flächendeckenden Versorgung müssen Ausschreibungen von Zytostatika verboten werden. Setzen sich Ausschreibungen bei der Zytostatikaversorgung durch, wird binnen kürzester Zeit die flächendeckende, ortsnahe Versorgung mit Krebsmedikamenten zerstört.“
Da die Krankenkassen leider kein Maß kennen würden, habe Becker die Politik zum Handeln aufgefordert. Anderenfalls müssten viele Apotheken mit ihren Zyto-Laboren auch die Versorgung schwerkranker Schmerzpatienten einstellen. „Wir brauchen Taten, um diese Versorgung zu sichern“, sagte Becker.
Ärzte, Krankenhäuser, Pflegekräfte und Patienten teilen laut VZA die massive Kritik der Apothekerschaft an den Ausschreibungen. Aus Sicht von Peterseim müsse mindestens das Patientenwahlrecht bei der Versorgung mit Zytostatika wieder hergestellt werden.
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