Der Bundestag soll am Donnerstag (9.00 Uhr) über Gesetzentwürfe zur Sterbehilfe in Deutschland abstimmen. Zwei Abgeordnetengruppen haben Regelungsvorschläge vorgelegt, über die ohne übliche Fraktionsvorgaben im Parlament entschieden werden soll. Ein Vorschlag zielt darauf, dass Ärztinnen und Ärzte Arzneimittel zur Selbsttötung grundsätzlich unter Voraussetzungen verschreiben dürfen. Der andere Vorschlag sieht eine grundsätzliche Strafbarkeit, aber auch Ausnahmen davon vor. Möglich sein soll Suizidbeihilfe in beiden Entwürfen nur für Volljährige. Vorgesehen sind auch Fristen und Beratungspflichten.
Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Anfang 2020, das ein seit 2015 bestehendes Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe im Strafgesetzbuch gekippt hatte – weil es das Recht des Einzelnen auf selbstbestimmtes Sterben verletzte. „Geschäftsmäßig“ hat dabei nichts mit Geld zu tun, sondern bedeutet „auf Wiederholung angelegt“. Das wegweisende Urteil stieß eine Tür für organisierte Angebote auf – aber ausdrücklich auch mit Regulierungsmöglichkeiten.
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hält die Bundestagsabstimmung über die Gesetzentwürfe zur Sterbehilfe für verfrüht. „Die Abgeordneten hatten nicht genug Zeit, sich angemessen mit diesem sensiblen Thema zu befassen. Außerdem ist es ein großer Schwachpunkt des Gesetzes, dass es die Suizidprävention nicht ausreichend stärkt. Diesen Aspekt vermisse ich bislang“, sagte der Politiker der Deutschen Presse-Agentur in München. Auch der Unionsfraktion im Bund kommt die Abstimmung zu früh.
CDU und CSU im Bundestag hatten bis zuletzt darauf gedrängt, die für diesen Donnerstag angesetzte Abstimmung zu verschieben. Auch die Bundesärztekammer und medizinische Fachgesellschaften hatten vor einem übereilten Beschluss in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause gewarnt. Dagegen hatte die Deutsche Stiftung Patientenschutz sich gegen eine Verschiebung ausgesprochen.
In Bayern spiele die Suizidprävention eine große Rolle, betonte Holetschek. „Mein Ministerium hat schon viele Maßnahmen und Projekte etabliert, um die psychische Gesundheit zu schützen, zu fördern und psychische Erkrankungen weiter zu entstigmatisieren. Denn dann trauen sich die Menschen auch, Hilfen in Anspruch zu nehmen.“ Nach den Worten Holetscheks sei es auch sein Ziel, die Hospiz- und Palliativversorgung weiter zu stärken. „Denn es ist wichtig, den Menschen bis zuletzt ein Leben in Würde bei möglichst hoher Lebensqualität zu ermöglichen. Schwerstkranke und sterbende Menschen müssen darauf vertrauen können, dass sie in den schwersten Stunden ihres Lebens nicht alleine gelassen werden.“
Oft trete auch der Wunsch nach Beihilfe zum Suizid in den Hintergrund, wenn sie sich verstanden und gut umsorgt fühlten und Schmerzen gelindert würden. Holetschek wies in dem Zusammenhang explizit auf die Krisendienste Bayern hin, an die sich Menschen in psychischen Notlagen flächendeckend und durchgehend wenden können. „Eine Krise hält sich nicht an Büro-Öffnungszeiten. Psychische Krisen sind existenzielle Notfälle. Die Menschen brauchen im Bedarfsfall unmittelbar Unterstützung.“
Die Krisendienste könnten von jedem kontaktiert werden – auch von Angehörigen, Bezugspersonen und weiteren Personen aus dem Umfeld von Menschen in psychischen Krisen. Die Krisendienste seien bayernweit rund um die Uhr unter der zentralen Rufnummer 0800 655 3000 erreichbar, sagte Holetschek. „Dieses niedrigschwellige psychosoziale Hilfe-Angebot gibt es so bislang in keinem anderen Flächenland in Deutschland und setzt Maßstäbe.“
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