Antidepressiva

Linke schießt gegen Broich

, Uhr
Berlin -

Nach möglichen Unzulänglichkeiten bei der Zulassung von Antidepressiva erkundigt sich Die Linke in einer Kleinen Anfrage. Insbesondere fragt die Fraktion nach der Unbedenklichkeit und Sicherheit der SSRI-Antidepressiva (Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer), die seit Jahrzehnten zur medikamentösen Standardtherapie bei der Behandlung von Depressionen in Deutschland gehören.

Nach Ansicht der Fragesteller gibt es bezüglich des Zulassungsverfahrens erhebliche Zweifel. Das System zur Risikominimierung in Form zu meldender Nebenwirkungen funktioniere nicht in dem aus Patientensicht erwünschten Umfang, betonen sie, „wenn von der Pharmaindustrie bezahlte Gutachter dazu beitragen, mögliche Gefährdungen zu verschleiern oder wenn die Aufsichtsbehörde nicht handelt“.

Laut Arzneiverordnungsreport wurden 2014 rund 1,44 Milliarden Tagesdosen SSRI verordnet. In den 15 Jahren davor habe sich diese Zahl verdreifacht, zitiert die Linke aus dem Report. Dabei seien die Wirkstoffe in Fachkreisen von Anfang an umstritten gewesen. So sei schon 1990 auf die gesteigerte Suizidalität nach der Einnahme von Fluoxetin (Prozac, Fluctin) hingewiesen worden. In Deutschland sei Fluctin unter fragwürdigen Umständen zugelassen worden, moniert die Linke. Es geht unter anderem um Kontakte von Mitgliedern der Zulassungskommission mit dem Originalhersteller Eli Lilly.

Auch bei Zoloft (Sertralin, Pfizer) kritisieren die Linken das Zulassungsverfahren. Hinweise zu Risiken des Mittels aus publik gewordenen Studien nähren bei der Fraktion den Verdacht, dass das Mittel vom Hersteller nicht ausreichend geprüft wurde. Das Arzneimittelgesetz (AMG) sehe in diesen Fällen einen Entzug der Zulassung vor. Die Linke kann nicht verstehen, warum das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in diesem Fall noch nicht aktiv geworden ist.

Die Linke will von der Bundesregierung wissen, ob SSRI aus ihrer Sicht „sicher und unbedenklich“ sind und ob sie bei der Zulassung ausreichend geprüft wurden. Die Regierung soll sich auch zur Wirksamkeit und dem patientenorientierten Nutzen der verschiedenen Wirkstoffe äußern und die einzelnen SSRI hinsichtlich Wirksamkeit und Nutzen mit konkreten Daten vergleichen. Die Fraktion erkundigt sich in 30 Fragen ausführlich zu weiteren Details der Zulassung und hinterfragt diese.

Konkret fragt die Linke auch nach der Rolle des heutigen BfArM-Präsidenten Professor Dr. Karl Broich: Welche Fachartikel dieser nach Kenntnis der Bundesregierung zu SSRI vor und nach deren Zulassung verfasst habe und welche gemeinsamen Veröffentlichungen des damaligen Gutachters im Zulassungsverfahren von Sertralin und Broich der Bundesregierung bekannt seien. Schließlich soll die Bundesregierung mitteilen, ob ihr Verstöße gegen die Geschäftsordnung der damaligen Zulassungsbehörde, also des Bundesgesundheitsamtes, bekannt seien, bei denen Mitglieder der Zulassungskommission während der Prüfung der Zulassung von Prozac unzulässigerweise Kontakte zum Hersteller unterhielten.

Die Linke ist der Auffassung, dass sowohl Broich als auch das damalige Mitglied der Zulassungskommission in Bezug auf die SSRI „ein starkes gemeinsames Interesse daran haben, dass das Zulassungsverfahren von Zoloft nicht in Kritik kommt, da beide maßgeblichen Anteil an der aktuellen Position der Aufsichtsbehörde haben und ein Ruhen oder eine Einschränkung der Zulassung eines SSRI-Antidepressivums ihren Ruf beschädigen könnten“. Ob die Regierung diese Einschätzung teile? Eine Antwort liegt noch nicht vor.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
ApoRG in nächster Legislatur
Köpping setzt auf Nachwuchsförderung
Zwischen 0,4 und 1,9 Prozentpunkten
Mehrheit der Kassen erhöht Beitrag
Mehr aus Ressort
Paul-Ehrlich-Institut
Neuer Chef fürs PEI

APOTHEKE ADHOC Debatte