Niemand im künftigen Kabinett polarisiert so sehr wie der designierte Gesundheitsminister Dr. Karl Lauterbach. Entsprechend fallen die Reaktion auf seine Wahl aus.
„Die ARD hat die Talkshows Maischberger, hart aber fair und Anne Will abgesetzt. Dass durch Lauterbachs Ernennung zum Minister die 281 Auftritte abgesagt werden müssen, die allein für 2022 eingeplant waren, verursacht einen Personalausfall, der so schnell nicht kompensiert werden kann.“ Das meldet zumindest die Satireseite „Der Postillon“ und trifft damit den Ton, der auch in sozialen Medien und der Politik vielerorts dominiert.
„Kleine Frage am Rande: Wird der Anne-Will-Talk dann zukünftig aus dem Foyer des Bundesgesundheitsministeriums gesendet? Frage für einen Freund, der irgendwas mit Medien zu tun hat“, tweetete beispielsweise Jan Korte, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag. Denselben Zungenschlag hatte FDP-Alphatier Wolfgang Kubicki: „Ich habe Karl Lauterbach schon gratuliert. Die deutsche Talkshowszene wird jetzt häufiger auf ihn verzichten müssen. So hat alles auch sein Gutes“, sagt er der Bild-Zeitung.
Gänzlich anders sehen es natürlich die Genossen. „Nikolaus ist, wenn Wünsche erfüllt werden. Ihr wolltet ihn – ihr kriegt ihn“, kommentierte der stellvertretende SPD-Chef Kevin Kühnert mit Blick auf das heutige Datum.
Guten politischen Stil zeigte Lauterbachs scheidender Amtsvorgänger: „Lieber Karl Lauterbach, herzlichen Glückwunsch zu dieser wichtigen und schwierigen, doch auch sehr schönen Aufgabe. Ich wünsche Ihnen dabei viel Erfolg und eine glückliche Hand. Denn es geht um unser Land. Die Bewältigung dieser Pandemie bleibt eine Gemeinschaftsaufgabe“, schrieb der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf Twitter.
Auch andere Unionspolitiker zeigten keine Scheu, die Personalie zu begrüßen: „Karl Lauterbach hat sich aus seiner Persönlichkeit, seinem Intellekt und Engagement heraus ein unglaubliches Vertrauen in der Gesellschaft erarbeitet. Ich freue mich für ihn, dass das belohnt wird und wünsche ihm bei seiner neuen Aufgabe als Gesundheitsminister viel Erfolg!“, so der CDU-Vorsitzkandidat Norbert Röttgen bei Twitter. „Das ist eine gute Wahl. Gratuliere Karl Lauterbach. Freue mich auf gute Zusammenarbeit in ernsten Zeiten“, schrieb Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) – allerdings nicht, ohne einen Seitenhieb auf die neue Bundesregierung: „PS: Schade, dass in der gesamten Bundesregierung kein einziger bayerischer Bundesminister oder bayerische Bundesministerin ist.“
Die einzige Spitzenpolitikerin, die die Personalie abfällig kommentierte, war AfD-Chefin Alice Weidel. „Während ihm die SPD noch in der letzten Legislatur keinerlei Kompetenz in Gesundheitsfragen zutraute und er deshalb keinerlei Funktionen bekleidete, wird Karl Lauterbach nun tatsächlich Gesundheitsminister“, schrieb sie auf Twitter. „Schlimmer hätte es für Deutschland nicht kommen können.“
Aus dem anderen Ende des politischen Spektrums kommt auch eine gegenteilige Einschätzung. Wenig überraschend lobt der grüne Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen die Auswahl in höchsten Tönen: „Seine Expertise und wissenschaftliche Herangehensweise wird ein riesiger Mehrwert für die exekutive Pandemiebekämpfung sein. Ich schätze insbesondere seine Kollegialität & seinen Einsatz für Menschen ohne große Lobby im Gesundheitswesen“, so Dahmen, der bereits in den vergangenen Wochen für Lauterbach als Gesundheitsminister geworben hatte.
Gemischt sind die Reaktionen nicht nur in der Politik, sondern auch im Gesundheitswesen – allerdings durchzogen von Respektsbekundungen gegenüber Lauterbach. „Auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren und sein werden, war es immer eine fachlich angetriebene Diskussion im Ringen um die beste Lösung“, erklärte Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). „Mit Herrn Lauterbach steht künftig ein versierter Kenner des komplexen Gesundheitswesens an der Spitze des Bundesgesundheitsministeriums. Das ist vor dem Hintergrund der vielen Herausforderungen sinnvoll.“ Die KBV biete ihre Mitarbeit, Vorschläge und Expertise an, mit dem Ziel, die ambulante Versorgung weiterzuentwickeln. „Wir freuen uns auf eine konstruktive Zusammenarbeit“, so Gassen.
Insbesondere auf Lauterbachs Rolle in der Coronakrise hob die Bundesärztekammer (BÄK) ab: „Professor Lauterbach ist ein ausgewiesener Kenner des deutschen Gesundheitswesens und war von Beginn der Pandemie an stets mahnende Stimme, vorausschauend zu handeln und ausreichende Schutzvorkehrungen zu treffen“, so ihr Präsident Dr. Klaus Reinhardt. „Wir bieten dem neuen Bundesgesundheitsminister unsere offene Bereitschaft zur Zusammenarbeit an und wünschen uns, in einem wirklich ernst gemeinten Dialog partnerschaftlich die Konzepte zu entwickeln, die uns zunächst aus der Corona-Endlosschleife herausführen und dann unser Gesundheitswesen dauerhaft auf eine gute, patientenzentrierte Versorgung hin ausrichten.“
Zu einem „konstruktiven Dialog über die Weiterentwicklung des deutschen Gesundheitssystems“ lädt Lauterbach auch der Hartmannbund ein. „Der künftige Gesundheitsminister ist ein exzellenter Kenner des Terrains und wir, als Ärzteschaft, wissen auf der anderen Seite sehr genau, was wir an ihm haben. Das ist grundsätzlich eine solide Basis für die notwendige konstruktive Zusammenarbeit zwischen Akteuren des Gesundheitswesens und politischen Entscheidungsträgern“, So die stellvertretende Vorsitzende Professor Dr. Anke Lesinski-Schiedat. Dass dies auch sehr kurzfristig funktionieren müsse, zeigten vor allem die großen Herausforderungen in der Pandemie, die allen Beteiligten Tag für Tag wichtige Entscheidungen abverlange.
„Mit Professor Karl Lauterbach übernimmt ein ausgewiesener Experte eines der derzeit zweifelsfrei wichtigsten Ressorts der Bundesregierung“, zeigt sich auch der Dr. Hans-Georg Feldmeier, Vorsitzender des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) erfreut. „Aufgrund seiner Expertise bringt er die besten fachlichen Voraussetzungen mit, um in der Corona-Pandemie die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen. Deutschland braucht eine verlässliche Gesundheitspolitik in der Krise, aber auch danach.“ Lauterbach werde sich dringend darum kümmern müssen, den Pharmastandort in seiner Vielfalt zu stärken und zukunftssicher zu gestalten.
Ähnliche Worte kommen aus dem Kassenlager. „Die Nominierung von Karl Lauterbach als Gesundheitsminister ist eine gute Wahl. Angesichts der immens großen Herausforderungen in der Gesundheitspolitik kommt es jetzt mehr denn je darauf an, dass die notwendigen Entscheidungen an einem klaren ordnungspolitischen Kompass ausgerichtet sind“, erklärte Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes. „Mit einer Politik, die sich an Umfragen und Stimmungen orientiert, lassen sich die anstehenden Strukturprobleme nicht lösen.“ Lauterbach habe nicht erst in der Pandemie bewiesen, dass er sich wie kaum ein anderer an Sachargumenten orientiert und seine Positionen nachhaltig vertritt. „Zudem kennt kaum jemand das deutsche Gesundheitswesen und dessen Dauerbaustellen besser als er. Wir freuen uns auf eine konstruktive Zusammenarbeit und
entschlossenes Regierungshandeln.“
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