Ausländischen Versandapotheken wurde der rote Teppich ausgerollt: Sie dürfen Rx-Boni gewähren und sind damit faktisch von der Preisbindung befreit. Die Apotheken vor Ort haben das Nachsehen – ein ungleicher Kampf mit unterschiedlichen Waffen. Aber spielen eigentlich alle das gleiche Spiel? Der Gesundheitspolitische Dialog der IHK Duisburg sollte Fragen beantworten und wirtschaftliche Folgen aufzeigen.
Ingrid Fischbach, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium (BMG), startete mit Grüßen an Ressortchef Hermann Gröhe – er halte an seinem Gesetzentwurf fest. Dieser sei noch nicht durch das Kabinett und somit „alles offen“. Mit eingefrorenen Verhandlungen gehe man in die nächste Legislaturperiode: Laut Fischbach hat das Thema auch für die neue Regierung höchste Priorität.
Die Staatssekretärin sieht die Apotheken „als Lotsen durch den Dschungel des Arzneimittelwesens“. Das bestehende System für die Versorgung der Patienten müsse erhalten bleiben, denn „zerschlagene Strukturen bekommt man nicht mehr auf den Weg“.
Für Fischbach hat der Versandhandel seine Berechtigung, aber zu gleichen Bedingungen und mit Blick auf den Gesamthaushalt. Deutschland sei eine Solidargemeinschaft mit Sachleistungsprinzip. „Wo steht denn geschrieben, dass der Bonus von den Versicherten einbehalten werden darf?“, fragte Fischbach. Das Geld müsse zurück ins System. Kranke dürften aufgrund der Boni der ausländischen Versender kein Geld verdienen.
Andreas Heeke, Apotheker und Leiter Arzneimittel der AOK Nordwest, sprach gar von einem „Zuverdienst durch Boni“ für zuzahlungsbefreite Versicherte. Die Gefahr seien steigende Kosten, nämlich wenn Patienten sich mehr Medikamente verordnen ließen, nur um den Bonus abzugreifen. Eine Lösung seien Selektivverträge ohne Boni für die Versicherten, denn verbieten könne man den Versandhandel nicht – das sei nicht zeitgemäß und schädlich für die Versorgung.
Die AOK habe übrigens auch Probleme, die früher gezahlte Mehrwertsteuer zurückzuholen, verriet Heeke. „Ausländische Versender segeln unter falscher Flagge“, so sein Fazit.
Apotheken und ausländische Versender spielten in einer anderen Liga, gab auch Apotheker Klaus Mellis zu bedenken. Er sei gegen einen Wettbewerb über den Preis, sondern über die Qualität der Versorgung. Alles andere sei für die Vor-Ort-Versorger eine betriebswirtschaftliche Herausforderung.
„Die Spieße, mit denen gekämpft wird, müssen auf beiden Seiten gleich sein“, sagte auch Ulrich Schulte- Herbrüggen, Apotheker und Mitglied der Vollversammlung der Niederrheinischen IHK. Es bedürfe einer gleichen Rechtsgrundlage: Es könne nicht sein, dass deutsche Apotheken bald einen Apotheker oder PTA als Boten einstellen müssten und ausländische Versender den „DHL-Boten schicken, der das Päckchen in den Hausflur wirft“.
Heinrich Meyer, Chefapotheker bei Sanicare, ist nach eigenem Bekunden ein Freund der flächendeckenden Versorgung. Der Versandhandel gefährde Apotheken aber nicht, sondern vielmehr der Weggang von Ärzten. Er sieht keine Aussicht, dass ein Rx-Versandverbot vor dem EuGH bestehen würde. Außerdem gefährde ein Verbot die Versorgung beispielsweise mit Spezialrezepturen. Er plädierte dafür, bestimmte Boni für alle Apotheken im Sozialgesetzbuch (SGB V) zu erlauben und für die Apotheken vor Ort einen Ausgleich zu schaffen.
Für Fischbach gibt es dagegen keine kluge Alternative zum Rx-Versandverbot, Beratungs- und Notdienstgebühr seien kein Ausgleich für die Apotheken vor Ort: Wenn die Boni stetig stiegen, wolle man dann auch ständig den Zuschlag erhöhen? Wie solle man so schnell reagieren?
Eine Regelung im SGB V ist für sie keine Lösung, sondern eher eine Gefahr: Werde im SGB V ein Bonus von einem Euro erlaubt, stünden die Türen offen, Einfluss auf die Preisgestaltung zu nehmen. Ohnehin hätte auch solch eine Regelung aus ihrer Sicht vor dem EuGH keine Chance. Der dritte Vorschlag, Chroniker ganz von der Zuzahlung zu befreien, kommt für Fischbach nicht in Frage: „Das zahlt die Solidargemeinschaft“.
Am Ende der Diskussionsrunde war klar: Apotheken brauchen Sicherheit und gleiche Wettbewerbsbedingungen. Herbrüggen brachte noch ein weiches Argument in die Runde: Wer solle den Notdienstzuschlag bekommen, wenn keine Apotheke mehr vor Ort sei? Apotheken seien die „größten Sozialbetreuungsunternehmen der Welt“ – und die gelte es zu erhalten.
Die IHKen in Nordrhein-Westfalen (NRW) hatten zum Gespräch eingeladen. Der Gesundheitssektor ist im Bundesland die Branche mit den meisten Beschäftigen: Mehr als eine Million Menschen arbeiten in NRW in diesem Bereich. „Die Politik ist in der Verantwortung“, so Hauptgeschäftsführer der Niederrheinischen IHK Duisburg-Wesel-Kleve, Dr. Stefan Dietzfelbinger. Er fordert einen fairen Wettbewerb mit fairen und gleichen Regeln für alle.
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