Spiegel: Pro und contra OTC-Switch APOTHEKE ADHOC, 16.09.2013 13:06 Uhr
Der Spiegel widmet sich aktuell gleich in zwei Beiträgen den aktuell
geplanten OTC-Switches von Rx-Arzneimitteln: Während in der gedruckten
Ausgabe eine Gynäkologin in einem langen Interview die Freigabe der
Pille danach fordert, wird online vor der geplanten Entlassung von
Sumatriptan und Zolmitriptan gewarnt.
„Je schneller, desto besser“, lautet der Titel des Interviews mit Dr. Julia Bartley, Leiterin der Abteilung für gynäkologische Endokrinologie an der Berliner Charité. Sie erklärt, dass es bei der Pille danach weder eine Gefährdung bei bestimmungsgemäßem Gebrauch gebe noch ein Missbrauchs- oder Abhängigkeitspotenzial. Auch eine Veränderung im Verhütungsverhalten sei in den 28 europäischen Ländern, in denen Notfallkontrazeptiva ohne Rezept oder sogar in Drogerien erhältlich seien, nicht belegt.
Laut Bartley können Frauen, die die Pille danach brauchen, zwar in der Frauenarztpraxis eine umfassende Beratung erwarten. „Aber der Alltag in Krankenhäusern sieht anders aus.“ Gerade im Notdienst würden Notfallkontrazeptiva auch von fachfremden Ärzten verschrieben – verweigert würde die Verordnung so gut wie nie.
Das Procedere werde aber von vielen Frauen als demütigend beschrieben, so Bartley. „Ich denke, dass es bei der Forderung einer Pflichtberatung letztendlich nicht nur um Aufklärung geht, sondern auch um eine nicht mehr zeitgemäße Kontrolle der Frau. Männer müssen sich ja auch keiner Beratung unterziehen, wenn sie Kondome kaufen.“
Ihrer Meinung nach sollte aber nur Levonorgestrel aus der Verschreibungspflicht entlassen werden, da Ulipristal erst zu einem späteren Zeitpunkt überlegen sei. „Aber gäbe man Levonorgestrel ohne Rezept aus, würde das den Zugang vor allem an Wochenenden und in den Abendstunden so sehr erleichtern, dass die rasche Einnahme ein deutlicher Vorteil sein kann.“
Nicht geeignet für die Selbstmedikation sind dem Beitrag auf Spiegel online zufolge die Triptane. Als Kronzeuge kommt hier Professor Dr. Hartmut Göbel, Leiter der Schmerzklinik Kiel, zu Wort: „Triptane erfordern eine ärztliche Begleitbehandlung.“
Dazu gehörten die Diagnosestellung und der Ausschluss anderer Ursachen. Die Patienten müssten nicht nur über die richtige Einnahme aufgeklärt werden, sondern auch über Vorbeugemaßnahmen. Gut eine Stunde Zeit nehme er sich für seine Patienten in der ambulanten Sprechstunde. „In der Apotheke ist das so nicht zu leisten.“
Auch Professor Dr. Karen Nieber, Leiterin des Pharmazeutischen Instituts in Leipzig und Mitglied im Sachverständigenausschuss, glaubt nicht, dass jeder Apotheker die Käufer genügend berät. In der Packungsbeilage werde aber auf die Risiken hingewiesen – auch darauf, dass Triptane nur nach einer Diagnosestellung eingenommen werden sollten. „Und ohnehin werden ja nur kleine Packungen ohne Rezept verkauft.“
Sie hofft auf die Eigenverantwortung der Patienten: „Wir sollten ihnen mehr zutrauen. Und wer den Beipackzettel nicht liest, der sollte gar keine Medikamente nehmen.“