„Weg von der Oma, hin zum Apotheker“: Der Kurswechsel der SPD beim Rx-Versandverbot beschäftigt auch den „Spiegel“ in seiner aktuellen Ausgabe. Auf einer kompletten Seite wird dargelegt, wie die erfolgreiche Apothekerlobby mit einer Kampagne und falschen Behauptungen den Willen der Sozialdemokraten gebrochen hat.
„Kaum eine Berufsgruppe tritt so aggressiv auf wie die deutschen Apotheker“, beginnt der Beitrag. „Nun sind die Sozialdemokraten vor ihnen eingeknickt.“ Und das ging so: Seit der Europäische Gerichtshof (EuGH) das Rx-Rabattverbot kippte, haben Deutschlands Apotheker die Abgeordneten laut Spiegel „mit Briefen zugeschüttet“. „Vom Pamphlet ('Armes Deutschland') bis zum mehrseitigen Schicksalsbericht ('Mit den besten Grüßen aus Brakel') war alles dabei.“
ABDA-Präsident Friedemann Schmidt habe „seine Leute aufgerufen, nicht zimperlich zu sein: 'Wir schießen aus allen Rohren.'“ Parallel habe ein „auf die Bürger gerichtetes PR-Trommelfeuer“ eingesetzt: „Kunden, die eigentlich nur ein Rezept einlösen wollten, wurden vom Verkaufspersonal darüber belehrt, dass ein Apothekensterben bevorstehe, wenn es mit dem Versandhandel so weitergehe, zumal aus dem Ausland, wo keine oder niedrigere Steuern gezahlt würden“, schreibt der Spiegel.
Nach einem kurzen Exkurs zur millionenschweren Kampagne „Danke Apotheke!“ des Verlags der Apotheken Umschau kommt der Spiegel zur Sache: Bei der Kampagne handele es sich „eher um Fake News als um Aufklärung“: „Die von den Apothekern gern vorgetragene Behauptung, die niederländischen Versandapotheken seien nur deshalb billiger, weil sie sich vor der deutschen Mehrwertsteuer drückten, ist falsch“, weiß der Autor. „Auch die ausländische Apotheke muss sich ans deutsche Steuerrecht halten und sogar die Umlage für Nacht- und Notdienste in Deutschland entrichten.“
„Auch die von der ABDA verbreitete Geschichte vom Apothekensterben ist kein starkes Argument.“ Zwar sei die Anzahl der Apotheken in den vergangenen Jahren gesunken, weil Inhaber in ländlichen Gegenden in Ruhestand gingen, ohne an einen Nachfolger zu übergeben. „Doch das wäre ja eigentlich ein Argument für den Versandhandel und nicht dagegen“, so der Spiegel.
Umso verärgerter seien einige Sozialdemokraten darüber, dass ihre Partei eingeknickt sei. Bei der Fraktionssitzung am Dienstag hätten sich der Wirtschaftspolitiker Johannes Kahrs und die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt zu Wort gemeldet. Sie hätten daran erinnert, dass man doch eigentlich angetreten sei mit dem Versprechen, den Wettbewerb im Sinne der Patienten zu stärken, anstatt ihn zu behindern.
Es half nichts: Laut Spiegel gaben die Genossen dem massiven Druck der Lobby nach: „Weg von der Oma, hin zum Apotheker.“ Sowohl SPD-Chef Sigmar Gabriel als auch der Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann hätten durchblicken lassen, dass das Rx-Versandverbot an ihnen nicht scheitern würde.
Die Apotheker stehen damit laut Spiegel besser da als je zuvor. Unter dem „pharmafreundlichen Gesundheitsminister Hermann Gröhe” hätten sie ihren Durchschnittsumsatz innerhalb von zwei Jahren um 12 Prozent gesteigert. „Allein für das Anrühren bestimmter Rezepturen sowie die Dokumentation von Betäubungsmitteln gibt es ab diesem Jahr nochmal 100 Millionen Euro obendrauf.“
Dabei habe es noch vor vier Jahren ganz anders ausgesehen, weiß der Spiegel: Als die FDP aus dem Parlament geflogen sei, habe der ABDA-Präsident, selbst FDP-Mitglied, bei einer internen Strategiekonferenz orakelt, man gehe dunklen Zeiten entgegen. Ohne die liberalen Freunde werde es schwierig sein, eigene Forderungen in der Gesundheitspolitik durchzusetzen.
„Zur eigenen Überraschung hat sich Schmidt geirrt“, schreibt der Spiegel. „Deutschlands Apothekern geht es im Durchschnitt heute nicht schlechter, sondern besser als je zuvor, der Großen Koalition sei Dank.“
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