Pflegezusatzversicherung

SPD wird Pflege-Bahr nicht los dpa, 15.11.2013 09:15 Uhr

Langer Schatten: Der Pflege-Bahr als private Zusatzversicherung lässt sich nach dem Start kaum wieder abschaffen. Foto: Elke Hinkelbein
Berlin - 

Die SPD war in der Sache stets glasklar. „Das unsinnige Geschenk von

Schwarz-Gelb an die Privatassekuranz von 5 Euro im Monat wird

abgeschafft“, versprach ihr Gesundheitsexperte Professor Dr. Karl

Lauterbach im Wahlkampf. Gemeint war die staatlich geförderte

Pflege-Zusatzversicherung, die die Pflegereform Anfang 2013 mit sich

brachte. Experten hatten viel zu kritisieren an dem Vorhaben.

Zumindest in der FDP freute man sich über dieses Konstrukt. Ihr damaliger Generalsekretär Christian Lindner gab ihm den Namen: „Das ist der 'Pflege-Bahr', den wir einführen.“

Zuerst dümpelte die nach FDP-Gesundheitsminister Daniel Bahr benannte Konstruktion vor sich hin. Die Private Krankenversicherung (PKV) tat sich schwer mit konkreten Angeboten. Denn ab zehn Euro Mindestbeitrag konnte jeder dabei sein – ohne Risikoprüfung. Branchenkenner sagten den PKV-Unternehmen nach, nicht die ersten sein zu wollen, die sich Kunden mit hohem Risiko ins Haus holen.

Als es Angebote gab, strömten die Kunden erst auch nur spärlich. Das hat sich deutlich geändert – wie 1600 Vertragsabschlüsse pro Arbeitstag heute zeigen. 332.600 Verträge sind es insgesamt bisher. Nächstes Jahr soll die Eine-Million-Marke geknackt sein. Für die Förderung hat der Bund 100 Millionen Euro pro Jahr vorgesehen.

Klar ist: Pflege zehrt heute oft die Ersparnisse auf. Auch die Angehörigen können den Eigenanteil fürs Heim häufig nicht zahlen. Viele Betroffene brauchen Sozialhilfe. Doch Verbraucherberater lassen trotzdem wenig Gutes an der Zusatzversicherung.

Die Policen würden ohne Beratung massenweise verschickt, kritisiert der Bund der Versicherten. Die Beiträge in den Tarifen drohten später zu steigen, weil hier viele mit hohem Risiko versammelt seien. Schließlich müssen die Unternehmen bei diesen Versicherungen alle Interessenten nehmen. „Ich denke, dass Versicherte hier lieber versuchen sollten, ungeförderte Verträge ihrem Bedarf entsprechend abzuschließen“, sagt der Berater Timo Voß.

Ende 2012 gab es 2,19 Millionen solcher Verträge, für 2013 rechnete der PKV-Verband mit reichlich Zuwachs. Auch Kombinationen gibt es mit Namen wie „PflegeBAHR und PflegeBAHRPLUS“ bei einem Versicherer.

Was wird also aus der Zusatzversicherung? Der Pflegeexperte des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, Dieter Lang, ist alles andere als ein Freund der schwarz-gelben Erfindung. Aber er räumt ein, dass man sie wohl nicht einfach abschaffen kann: „Wer den Vertrag geschlossen hat, baut darauf, die Förderung weiter zu bekommen.“

Je mehr dies tun, desto stärker zählt das. Man könnte das Angebot höchstens auslaufen lassen, also Neuverträge nicht mehr fördern. Aber auch das gilt als riskant, drohen in den Tarifen ohne Neuabschlüsse doch erst recht Beitragssteigerungen.

Es könnte aber auch noch einen späten Triumph Bahrs geben, der mit seiner Pflegereform stets mehr gewollt hatte, als er durchsetzen konnte. Der gegenteilige Weg wäre, die staatliche Förderung stark auszuweiten, nebenbei die Beratung zu verbessern und Attraktivität sowie Wirksamkeit der Zusatzpolicen so zu steigern.

Alleine aus Rücksichtnahme gegenüber der Union ist es ohnehin wahrscheinlich, dass die SPD die ungeliebte Zusatzversicherung akzeptiert. Sie war zwar keine Herzensangelegenheit von CDU/CSU, aber gemeinsam mit der FDP beschlossen hat man sie doch.

Derweil stemmt sich die SPD gegen die Unionspläne, darüber hinaus mit Beitragsgeld auch kollektiv in einer großen Kapitalrücklage anzusparen – also nicht mit freiwilligen Policen einzelner Versicherter. CDU-Verhandlungsführer Jens Spahn will damit erwartbar steigendem Pflegebedarf durch das Altwerden der Babyboomer begegnen. Für Lauterbach ist dies „Zwangssparen“. Er will offiziell nach wie vor das Umlagesystem zur Pflege-Bürgerversicherung ausbauen. Am Sonntag wird weiterverhandelt – open end.