SPD will BMG: Kandidat Lauterbach Lothar Klein, 08.12.2017 13:00 Uhr
Die SPD will mit der Union über eine Neuauflage der Großen Koalition (GroKo) sprechen. Bereits am kommenden Mittwoch werden sich die Partei- und Fraktionschefs von SPD, CDU und CSU zu einem ersten Gespräch treffen. Die SPD legt die Latte für eine Koalition hoch: Die Bürgerversicherung muss kommen und die SPD beansprucht dazu das Bundesgesundheitsministerium (BMG). Als einer von mehreren möglichen Kandidaten gilt auch Karl Lauterbach. Mehr noch: Anspruch erhebt die SPD auch auf das Sozial- und das besonders wichtige Finanzministerium.
„Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass wir die Bürgerversicherung durchsetzen mit einem CDU-Gesundheitsminister, der das eigentlich gar nicht will“, so Johannes Kahrs (SPD), Chef des einflussreichen Seeheimer Kreises über ergebnisoffene Gespräche mit der Union. Ebenso werde es schwierig, „vernünftige Rentenkonzepte mit einem CDU-Minister oder gar mit einem CSU-Minister umzusetzen, der das gar nicht will“. Und „ehrlicherweise“ müsse man feststellen, dass man als kleinerer Partner in einer GroKo „nicht anständig“ regieren könne, „wenn man nicht den Bundesfinanzminister stellt“.
Mit Kahrs Aussagen kommt das Personalkarussell für eine GroKo bereits in Fahrt, noch bevor die ersten offiziellen Gespräche stattfinden. Hinter den Kulissen laufen die Vorbereitungen dagegen bereits auf Hochtouren. Für die Apotheker ist besonders die Besetzung des BMG von Interesse. Womöglich wäre Hermann Gröhe gar nicht unglücklich, das Kapitel hinter sich zu lassen, schließlich schlagen ab 2018 steigende Ausgaben aus seinen Reformen zu Buche.
Sollte das Ressort an die SPD fallen, kämen verschiedene Politiker in Frage. Wie kein anderer Gesundheitspolitiker hat sich in den letzten Jahren Lauterbach für die Bürgerversicherung eingesetzt. Der Kölner wurde inzwischen wieder als für Gesundheit zuständiger Stellvertreter in den SPD-Fraktionsvorstand gewählt. Außerdem pflegt Lauterbach seit langen Jahren gute und enge Kontakte zur SPD-Fraktionsvorsitzenden Andrea Nahles, die bei der Besetzung der Ministerien ein gewichtiges Wort mitsprechen wird. Für die Apotheker hingegen ist Lauterbach so etwas wie ein rotes Tuch.
Aber auch in der SPD ist Lauterbach umstritten. Womöglich kommen somit andere Kandidaten ins Spiel. Die Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks steht ebenfalls auf der Ministerliste. Es gab bereits Gespräche. Als erstes Bundesland hat die Hansestadt bereits einen ersten Schritt in Richtung Bürgerversicherung angekündigt, indem Beamte künftig in die GKV wechseln können. Nicht nur das spricht für sie. Auch Edgar Franke wäre ein geeigneter Kandidat. Er führt seit vier Jahren umsichtig und pragmatisch den Vorsitz des Gesundheitsausschusses im Bundestag. Bekannt ist, das Franke auch in den Reihen der Union viele Sympathien genießt. In Frage käme aber auch Katarina Barley. Der früheren SPD-Generalsekretärin traut man der Amt der Bundesgesundheitsministerin ebenfalls zu. Derzeit arbeitet sie als geschäftsführende Familienministerin.
Für die Interessen der Apotheker wäre die Übernahme des BMG durch einen SPD-Politiker ein weiterer politischer Rückschlag. Die Hoffnungen auf die Umsetzung des geforderten Rx-Versandverbots dürften damit weiter gegen Null sinken. Denn unabhängig von der Person sind sich SPD-Linke und der Seeheimer Kreis einig im klaren Nein zum Rx-Versandverbot. Wie die SPD zur Honorarfrage steht, ist dagegen offener. Allzu große Entgegenkommen dürfte die ABDA allerdings nicht erwarten: Nicht vergessen ist die harte Gangart der ABDA gegen SPD-Politiker im Streit um das Rx-Versandverbot. Ausgeschlagen hatte die ABDA beispielsweise das vorläufig letzte Gesprächsangebot von Lauterbach.
An dem GroKo-Auftakttreffen am Mittwochabend werden voraussichtlich Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel, der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer, SPD-Chef Martin Schulz sowie die Fraktionschefs Volker Kauder (CDU), Nahles und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt teilnehmen. Bei dem Gespräch soll es sich noch nicht um den Einstieg in offizielle Sondierungen handeln.
Erwartet wird aber, dass sich die Teilnehmer auf einen Fahrplan für weitere Treffen einigen. Der SPD-Vorstand will dann am 15. Dezember beraten, ob förmliche Sondierungsverhandlungen Anfang Januar starten sollen. Der CDU-Vorstand will an diesem Sonntagabend (10. Dezember) das weitere Vorgehen beraten. Möglich ist, dass es ein zweites derartiges Sechser-Format der Spitzenleute von Union und SPD noch in der Woche vor Weihnachten geben könnte.
Bereits im Beschluss des Parteivorstandes hat die SPD die Bürgerversicherung als Bedingung einer weiteren GroKo definiert. Das geteilte System von GKV und PKV soll schrittweise abgelöst werden. So sollen auch Beamte in die Bürgerversicherung einzahlen, die Bevorzugung von Privatpatienten soll beendet werden. Ziel ist es, die Beiträge für untere Einkommensschichten zu senken, weil es mehr Einzahler in das einheitliche Kassensystem gäbe. Die Union lehnt das bisher klar ab. Auch für die Ärzte steht viel auf dem Spiel; ihnen müsste ein Ausgleich für den Wegfall von Erträgen aus der Privatbehandlung gezahlt werden.
Kahrs betonte, man müsse sich mit möglichen Sondierungsergebnissen einem Sonderparteitag im Januar stellen, der über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen abstimmen wird. „Die erwarten Inhalte und die Bürgerversicherung gehört dazu“, sagte Kahrs: „Es muss klar sein, dass die Beamten da drin sind.“ Keiner in der SPD wolle Ärzte und Krankenhäuser verstaatlichen, das sei grober Unfug. Dass die GroKo-Gespräche schwierig werden, ist allen Beteiligten klar. Für Merkel geht es zudem um ihre politische Zukunft: „Mal sehen, ob Merkel ihren Laden besser im Griff hat als während der Jamaika-Verhandlungen, der Koalition der Besserverdienenden und Besserwisser“, so Kahrs.