Mattheis pocht auf Bürgerversicherung Lothar Klein, 21.03.2016 13:36 Uhr
Als Reaktion auf die herben Niederlagen bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt hat eine Gruppe von Sozialdemokraten um die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Hilde Mattheis, die Rückkehr zu einer klaren linken Politik gefordert. In einem zehnseitigen Strategiepapier pochen Mattheis und neun weitere SPD-Bundestagsabgeordnete auf die Einführung der Bürgerversicherung.
„Wir brauchen endlich die Bürgerversicherung in der Kranken- und Pflegeversicherung mit der wir anschlussfähig sind, die alle Einkommensarten einbezieht, paritätisch finanziert ist und in der die Beitragsbemessungsgrenze entsprechend angehoben wird, um über eine gerechte solidarische Finanzierung auch die Versorgungssicherheit und Versorgungsqualität und die Zugänge zum medizinischen Fortschritt für alle Bürgerinnen und Bürger zu garantieren“, heißt es im Strategiepapier. Die SPD-Linke setzt des Weiteren auf höhere Steuern, höhere Staatsverschuldung für Investitionen und Bildung und Infrastruktur.
Die Flüchtlingsströme böten „konservativen und reaktionären Kräften bei uns Gelegenheit“, von der sozialen Schieflage in Deutschland abzulenken und „die politische Tagesordnung mit nationalistischen und fremdenfeindlichen Diskursen zu bestimmen“. Während sich ein großer Teil der Bevölkerung um Wohnungsmangel, regionale Ungleichgewichte und Strukturschwächen, Lücken in den sozialen Sicherungssystemen von Gesundheit über Arbeitslosenversicherung bis zur Altersvorsorge sorge, „werden die Reichen und Superreichen immer reicher, selbst in der heutigen Niedrigzinsphase“. Mattheis: „Diese wachsende Schere zwischen Arm und Reich gefährdet unsere Demokratie, unseren Rechtsstaat, die Freiheit und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“
Kritik übt die Parteilinke am Kurs von SPD-Chef Sigmar Gabriel. Der 2009 begonnene Reformprozess mit dem Regierungsprogramm 2013 sei nur eine kurze Phase der Re-Sozialdemokratisierung der SPD gewesen, „aber diese wurde immer wieder durch widersprüchliche politische Botschaften konterkariert“. Obwohl SPD-Themen wie Mindestlohn und Rente mit 63 die Regierungsarbeit des ersten Jahres bestimmten, seien die Umfragewerte für die SPD im Schnitt unter dem Bundestagswahlergebnis von 2013.
„Das führte dazu, dass wieder Debatten geführt werden, die einen inhaltlichen roll-back bedeuten“, kritisiert die Gruppe um Mattheis und weiter: „Die SPD darf ihren Gestaltungswillen als Partei der sozialen Gerechtigkeit nicht aufgeben und muss an den Reformprozess 2009 bis 2013 anknüpfen. Es reicht nicht, vor Wahlen die soziale Karte zum Beispiel für einen Sozialpakt zu ziehen.“
Deutschland brauche mehr Investitionen. Der Bedarf liege derzeit bei mindestens 200 Milliarden Euro für die nächsten Jahre. Neben den klassischen Investitionen in Straßen, den ÖPNV und in Gebäude müsse in soziale Infrastruktur investiert werden: in Gesundheits- und Pflegeinfrastruktur, Bildung und Kultur.
Die gesetzliche Rente müsse wieder zur Hauptsäule der Altersvorsorge werden. Sie dürfe nicht „zur Grundsicherung zu verkommen“. Die Riesterrente müsse wieder bei Vertrauensschutz für bestehende Verträge abgeschafft werden. „Es darf keine neuen Subventionen und staatliche Anreize für kapitalgedeckte Systeme welcher Art auch immer geben“, so das Papier.