Deutschland hat einen neuen Bundestag gewählt, bis 18 Uhr konnten die Stimmen abgegeben werden. Die Wahlbeteiligung liegt bei 84 Prozent. Ersten Prognosen zufolge liegt die CDU/CSU mit rund 29 Prozent vorne, gefolgt von der AfD mit 20 Prozent. Erst auf dem dritten Platz landet die SPD mit 16,2 Prozent – doch trotz des bisher schlechtesten Ergebnisses in der Geschichte äußerte sich die Parteispitze nicht zu möglichen Konsequenzen.
„Die ersten Hochrechnungen sind ein schwerer Moment für die SPD – das schlechteste Wahlergebnis unserer Geschichte und ein ernstzunehmendes Signal für die Demokratie“, so Dr. Christos Pantazis, stellvertretender gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Es zeige, dass es populistischen Kräften gelungen sei, „den politischen Diskurs zu verschieben“, während die SPD es nicht ausreichend geschafft habe, „unsere zentralen sozialdemokratischen Themen wie soziale Gerechtigkeit, bezahlbares Wohnen und gesellschaftlichen Zusammenhalt überzeugend zu vermitteln“.
Die Wählerinnen und Wähler hätten ihre Entscheidung getroffen: „Und wir müssen uns kritisch fragen, warum wir sie nicht besser erreichen konnten“, so Pantazis. „Die demokratische Mitte steht nun vor der Herausforderung, mit diesem Ergebnis umzugehen. Es ist unerlässlich, dass wir unser Abschneiden und die gesamte Wahl schonungslos analysieren, um daraus konkrete Lehren für die Zukunft zu ziehen.“
Von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kam noch keine Äußerung zu einem möglichen Rücktritt. Er sprach zwar von einem „bitteren Ergebnis“ und einer „Wahlniederlage“, forderte allerdings von seiner Partei, dass man jetzt „gemeinsam nach vorne“ gehen müsse. Zudem habe er das Land sicher durch eine äußerst herausfordernde Legislaturperiode geführt und sei stolz, „in dieser Phase die Verantwortung für das Land gehabt zu haben“. Die SPD könne stolz sein, „als Partei in schwierigen Zeiten zusammengehalten“ zu haben. Er werde sich nie damit abfinden, dass eine extrem rechte Partei hierzulande Stimmen gewinne.
Parteichef Lars Klingbeil sprach von einem „miesen Abend“ und einem „dramatischen Ergebnis“ und räumte die „Niederlage“ ein. Er lobt Scholz dafür, dass er nach dem Zusammenbruch der Ampel weiter gekämpft und die Partei mitgezogen habe. Trotzdem müsse man deutlich sein: „Die SPD wird sich organisatorisch, programmatisch und auch personell neu aufstellen müssen“, so Klingbeil. Man müsse den Generationswechsel einleiten, damit der Wiederaufbau der SPD als Volkspartei der linken Mitte gelinge.
Co-Chefin Saskia Esken versprach indes, dass man aus Fehlern lernen werde. „Es ist ein enttäuschender, bitterer Abend für die SPD. Die Regierungsbildung werde keine einfache Aufgabe. „Die Partei wird in den nächsten Wochen über eine Neuaufstellung sprechen müssen, so Esken. Organisatorisch und personell. Wir machen das gemeinsam, nicht einzeln.“ Ob es ein Fehler war, mit Scholz als Kanzlerkandidaten anzutreten, obwohl die SPD mit Boris Pistorius den beliebtesten Politiker in ihren Reihen habe, ließ Esken unbeantwortet. „Wir haben heute nicht die Aufgabe vergossene Milch aufzuwischen.“
Pistorius wird bereits als neuer Frontmann gehandelt, wollte sich dazu aber noch nicht aus der Reserve locken lassen. Das Ergebnis sei „niederschmetternd“ und „katastrophal“. Bei welchen Themen man in Koalitionsverhandlungen zu Zugeständnissen bereit sei, wollte er nicht sagen: Es sei an Friedrich Merz, zu den Gesprächen einzuladen, vorher werde man keine Inhalte auf den Tisch legen. Man müsse auch sehen, wie der Bundestag am Ende zusammengesetzt sei und wie die FDP abschneide, die es ihm und seiner Partei leicht gemacht habe, über den Abschiedsschmerz hinwegzukommen.
In der „Berliner Runde“ sagte Scholz, es sei kein Fehler gewesen, noch einmal selbst anzutreten. Ob er nach der Regierungsbildung abtrete? „Für mich ist ganz klar, dass ich mich um das Amt des Bundeskanzlers beworben habe und kein anderes. Das ist meine Antwort.“