Gut zwei Stunden haben die Parteispitzen von CDU, CSU und SPD über die Fortsetzung einer gemeinsamen Regierung beraten. Herausgekommen ist ein unklares Bild: Die Union will Sondierungen über eine Neuauflage der Großen Koalition (GroKo) aufnehmen. Die SPD will erst am Freitag über das weitere Vorgehen entscheiden. SPD-Chef Martin Schulz steht unter Druck. Die Sozialdemokraten wollen nur „ergebnisoffen“ sondieren und halten auch eine lockerere Kooperations-Regierung für denkbar.
In der Union stößt eine Kooperations- oder gar Minderheitsregierung auf wenig Gegenliebe: Nach dem ersten Spitzengespräch hat sich die Union von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für Regierungssondierungen mit der SPD ausgesprochen, aber de facto nur über eine große Koalition. „Die Vertreter von CDU und CSU haben deutlich gemacht, dass sie gemeinsam mit der SPD Sondierungen zur Bildung einer stabilen Regierung aufnehmen wollen“, teilten CDU/CSU und SPD am Mittwochabend nach dem zweieinhalbstündigen Gespräch in Berlin mit.
Schulz hatte der Basis beim jüngsten Parteitag versprochen, „ergebnisoffen“ zu verhandeln, das sollte auch Optionen wie eine Minderheitsregierung Merkels, die von der SPD unterstützt wird, beinhalten. Oder eine Kooperationskoalition („KoKo“), bei der die SPD zwar auch Minister in der Regierung stellt, aber nur auf bestimmten Feldern kooperiert, auf anderen könnte sie dann auch mit anderen Parteien eigene Projekte durchsetzen. Beide Varianten sind Merkel und der Union zu unsicher und werden daher abgelehnt.
Die SPD-Linke pocht trotz der Unions-Position weiterhin auf Sondierungen auch über die beiden anderen Regierungsalternativen. „Die SPD wird – wenn überhaupt – nur offen sondieren“, sagte der zum linken Flügel gehörende SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe. Das sei so auf dem SPD-Parteitag besprochen und beschlossen worden. SPD-Chef Schulz hatte dort zugesagt, es gebe keinen Automatismus Richtung große Koalition. Mit Spannung wird nun erwartet, wie die SPD sich am Freitag verhalten wird.
In der Erklärung nach dem Spitzentreffen war von einem „offenen und vertrauensvollen Gespräch“ die Rede, konkrete Ergebnisse wurden nicht bekannt. Streitpunkte sind unter anderem das von der SPD geforderte Ende einer „Zwei-Klassen-Medizin“ und die Frage, ob ab dem Frühjahr wieder ein Familiennachzug bei Flüchtlingen zum Beispiel aus Syrien möglich sein soll, was die CSU ablehnt. Hinzu kommt die von der SPD geforderte höhere Steuer für Reiche. Weitgehend einig ist man sich bei mehr Investitionen in Pflege, Wohnungsbau sowie einer Stärkung von Polizei und Justiz angesichts der Terrorismus-Herausforderungen.
Auch beim Thema Bürgerversicherung zeichnet sich bereits ein Kompromiss ab: „Es geht dabei nicht um Einheitskassen, wie immer wieder falsch gesagt wird“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion und Gesundheitsexperte der Partei, Karl Lauterbach. Auch die privaten Krankenkassen wolle die SPD nicht abschaffen. Es gehe vielmehr um ein neues System mit mehr als 100 Bürgerversicherungen – sowohl gesetzliche als auch private – die miteinander im Wettbewerb stünden, sagte Lauterbach. „Der Unterschied zum heutigen System wäre, dass jede Kasse jeden nehmen muss und dass beim Arzt und in den Kliniken für jeden Patienten gleich honoriert wird, so dass es nicht mehr zu einer Bevorzugung von Privatpatienten kommt.“
Geplant ist die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung, also zu gleichen Beiträgen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Nach dem Vorbild des „Hamburger Modells“ soll Beamten der Zugang zur GKV geöffnet werde. Kernpunkt ist aber die schrittweise Angleichung der Arzthonorare für GKV-Versicherte und Privatpatienten. Damit würde mittelfristig der Anreiz für eine Privatversicherung verschwinden.
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