Plakat-Protest

SPD-Politikerin fühlt sich von Apotheker diffamiert Lothar Klein, 08.09.2017 10:25 Uhr

Berlin - 

Im Bundestagswahlkampf wird mitunter mit harten Bandagen gekämpft und mit vielen Mitteln provoziert – nicht nur in TV-Talkshows. Dort verlassen Politiker gelegentlich Live-Sendungen unter Protest. Auch im Straßenwahlkampf kommt es mitunter zu grenzwertigen Begegnungen. So geschehen kürzlich in Achern in Baden-Württemberg: SPD-Kandidatin Elvira Drobinski-Weiß fühlt sich von einem Apotheker durch seine Protestaktion diffamiert.

In der Acherner Innenstadt hatte die SPD-Bundestagsabgeordnete gleich neben dem Rathaus ihren Wahlkampfstand aufgebaut, um Bürger auf der Straße anzusprechen und für ihre Partei zu werben. Plötzlich erschien ein Mann mit einem Plakat und stellte sich neben den SPD-Wahlkampfstand: „Ich dachte zuerst, das ist jemand von der AfD“, erzählt Drobinski-Weiß.

Auf dem Plakat waren die Buchstaben SPD durchgestrichen – „nicht wählbar“, stand dort zu lesen. Des Weiteren wurde die SPD auf dem Plakat für Hartz IV angeprangert, für Altersarmut, für das verkorkste Gesundheitswesen und für schlecht bezahlte Frauen-Arbeitsplätze.

In einer Facebook-Gruppe postete der Apotheker seine Aktion zunächst als Heldentat: „Da ich mich über die SPD geärgert habe, habe ich ein Plakat fertigen lassen, auf dem die größten Untaten der SPD aufgeführt sind, auch die Gefährdung vieler Arbeitsplätze in Apotheken“, stand dort zu lesen. „Heute war ein Wahlstand der SPD vor dem Rathaus und ich hin mit dem Plakat. Hab' mich daneben gestellt.“

Es habe nicht lange bis zu einer hitzigen Diskussion gedauert, schrieb er weiter. Er wolle nicht alles wiedergeben, nur: „Drobinski-Weiß meinte abfällig, dass Apotheken für Frauen ja nur schlecht bezahlte Teilzeitstellen hätten (also Ausbeuter und die Arbeitsplätze sind nicht so wichtig). Da hat es mir die Sprache verschlagen. Die machen in Apotheken alles mies.“ Auf Anfrage von APOTHEKE ADHOC wollte sich der Apotheker zu der Situation nicht mehr äußern. Inzwischen hat er seinen Beitrag gelöscht.

Die SPD-Parlamentarierin fühlt sich von dieser Beschreibung des Zusammentreffens diffamiert. Sie bestätigt eine Konversation mit dem Apotheker, der sich aber nicht als Apotheker zu erkennen gegeben habe. „Das trifft nicht zu“, habe sie dem Mann mit Blick auf seine Vorwürfe entgegnet, „das ist falsch“. Keineswegs habe sie gesagt, dass Apotheker ihre Mitarbeiter ausbeuteten. Der Mann habe im Laufe des Wortwechsels noch auf die Spargelfahrt des Seeheimer Kreises hingewiesen und gesagt: „Ihr seid doch alle käuflich.“

„Ich fand den Auftritt sehr dreist“, beschreibt Drobinski-Weiß das Zusammentreffen. Auf eine sachliche Diskussion habe sich der Mann nicht einlassen wollen. Beim Weggehen habe er ihr noch zugerufen: „Das Plakat steht bei mir im Schaufenster.“ Dass der Mann in Achern eine Apotheke betreibt, habe sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewusst.

Nachdem sie die Identität des Protestlers kannte, sei sie nach dem Abbau ihres Wahlkampfstandes später an der Apotheke vorbeigefahren. Aber im Fenster habe sie kein Plakat entdecken können. Sie habe schon häufiger Gespräche mit Apothekern in ihrem Wahlkreis geführt, so die Abgeordnete. Trotz der unterschiedlichen Auffassungen zum Thema Versandhandel von rezeptpflichtigen Arzneimitteln seien die Gespräche immer sehr sachlich und angenehm verlaufen. „So etwas habe ich auch noch nicht erlebt“, sagte Drobinski-Weiß. Leider könne sie sich gegen den inzwischen gelöschten Facebook-Post nicht wehren.

Die SPD-Politikerin kandidiert im Wahlkreis Offenburg. Dort ist Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) der Platzhirsch. Vor vier Jahren holte Schäuble mit 56 Prozent das Direktmandat. Drobinski-Weiß lag mit gut 20 Prozent chancenlos auf Platz zwei.

Der fast 75-jährige Schäuble dürfte zum 13. Mal als Direktkandidat in den Bundestag einziehen. Außerdem führt er die Landesliste der CDU an. Der dienstälteste Abgeordnete erhielt seit 1972 stets das Direktmandat im Wahlkreis Offenburg. Sein schlechtestes Erststimmenergebnis waren 47,2 Prozent (2009), sein bestes 64,3 (1990).

Seit dem Zweiten Weltkrieg gewann die CDU stets das Direktmandat für den Wahlkreis Offenburg. Auch in den beiden anderen Wahlkreisen mit Kommunen aus dem Ortenaukreis – Emmendingen-Lahr (Wahlkreis 283) und Schwarzwald-Baar (286) – gewannen stets Christdemokraten. 2013 waren gar alle baden-württembergischen Wahlkreise in CDU-Hand.

Seit Mai 2004 sitzt Drobinski-Weiß im Deutschen Bundestag. Sie ist Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft und im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz. „Da ich in Berlin den überwiegend ländlich geprägten Ortenaukreis mit seinem traditionellen Wein- und Obstbau vertrete, ist es mir wichtig, im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft insbesondere Themenbereiche wie Pflanzenzüchtung, Agrogentechnik, neuartige Lebensmittel, Alkohol und Branntweinmonopol zu betreuen. Dabei müssen sowohl die Interessen der Landwirte als auch die der Verbraucherinnen und Verbraucher berücksichtigt werden“, sagt die Abgeordnete.

Im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz kümmert sie sich um Verbraucherrechte, verständliche Informationen, Transparenz, Verbraucherbildung und verbindliche Regeln, die sichere Produkte und einen fairen Wettbewerb gewährleisten.