Fliege, Akzent, Schlagfertigkeit: Professor Dr. Karl Lauterbach ist im
gesundheitspolitischen Berlin ein Unikum. In seiner Partei gilt er auch
als Gesundheitsexperte. Doch beim Thema Apotheken hat Lauterbach schon
mehrfach bewiesen, was er am besten kann: Polemisieren ohne Rücksicht
auf Verluste. In den vergangenen Jahren trug Lauterbach immer wieder
Ideen zum Apothekenmarkt öffentlich ins Feld, die sein Büro auf
Nachfrage regelmäßig ins Schwimmen brachte und über die sich seine
Parteikollegen nicht selten ärgerten.
Legendär ist sein Auftritt in einem TV-Beitrag unter dem Titel „Klamme Krankenkassen – reiche Apotheker“ des ARD Magazins „Report Mainz“. Im Februar 2010 forderte Lauterbach die schwarz-gelbe Koalition zu drastischen Sparmaßnahmen bei den Apotheken auf: „Wenn man jetzt konsequent sparen würde bei den Apotheken und würde die überflüssigen Gewinne abziehen, dann ließe sich damit mindestens eine Milliarde Euro sparen“, so Lauterbach. Damit könnten Zusatzbeiträge der gesetzlichen Krankenkassen verhindert werden.
Lauterbach polterte auch schon gegen das Fixhonorar der Apotheken: Bei vielen Medikamenten käme die Hälfte des Preises alleine über den Vertrieb zustande. Dieses System sei „unsinnig“, sagte Lauterbach im März 2010 in der Phoenix-Talkshow „Unter den Linden“. Er rechnete vor, dass bei einem Herstellerabgabepreis von fünf Euro die Vergütung für Großhandel und Apotheke letztlich mehr als 50 Prozent des endgültigen Preises ausmachen.
Außerdem wollte er die Rabatte der Großhändler an die Apotheken komplett streichen und damit die Krankenkassen entlasten. Bei der Umstellung der Großhandelsvergütung müsse auch das Interesse der gesetzlichen Krankenversicherung berücksichtigt werden, schrieb die SPD-Fraktion im April 2010 in der Begründung zu einem Bundestagsantrag, der aus Lauterbachs Feder stammte. „Heute gewährt der pharmazeutische Großhandel aus seiner preisabhängigen Vergütung den Apotheken Rabatte. Diese Mittel sollten statt dessen den gesetzlich Krankenversicherten zugute kommen.“
Auch als Korruptionsjäger lässt sich Lauterbach gerne inszenieren: Ebenfalls im April 2010 warnte er im Zusammenhang mit der damals von der Koalition geplanten Aufzahlungsregelung davor, dass Pharmahersteller Apotheker bestechen könnten, ihren Patienten teure Präparate zu empfehlen, die die Kassen nicht ersetzen. Lauterbach sah neben den Ärzten die Apotheker verstärkt im Fokus der Hersteller und warnte in der Frankfurter Rundschau vor gut dotierten Verträgen zur „Patientenberatung“ und „Anwendungsbeobachtung“.
Für Ärger in den eigenen Reihen sorgte Lauterbach mit der Forderung, homöopathische Arzneimittel aus dem GKV-Leistungskatalog auszuschließen: „Man sollte den Kassen schlicht verbieten, die Homöopathie zu bezahlen“, sagte Lauterbach im Juli 2010 dem Spiegel. „Viele Patienten glauben, die Kassen zahlen nur das, was auch nachweisbar hilft. Deshalb adeln die Krankenkassen mit ihrem Vorgehen die Homöopathie.“
Auch von Vitaminpäparaten hält Lauterbach nichts: Im Januar 2012 ließ er sich abermals im Spiegel in einem Beitrag mit der Überschrift „Die Vitamin-Lüge“ zum fehlenden Nutzen und den Risiken von Nahrungsergänzungsmitteln zitieren: „Das Nicht-Wissen bei Ärzten und Apothekern schockiert mich immer wieder“, so Lauterbach im Interview. Ergebnisse aus der Wissenschaft kämen oft erst mit jahrelanger Verspätung bei den Praktikern an. „Ich treffe immer wieder auf Ärzte, die selbst noch Vitamin-E-Pillen schlucken, um Prostatakrebs vorzubeugen. Ein Wahnsinn!“
Am meisten gefürchtet ist Lauterbach bei den Apothekern aber wegen seiner Haltung zu Apothekenketten: Wenige Tage nach den EuGH-Schlussanträgen zum Fremdbesitzverbot drängte Lauterbach im Dezember 2008 nach einer politischen Lösung: In einem Interview mit dem Spiegel forderte er den Gesetzgeber auf, das Fremd- und Mehrbesitzverbot zu kippen: „Arzneien wären ohne jeden Sicherheitsverlust preiswerter und bequemer zu haben, wenn es das Fremd- und Mehrbesitzverbot für Apotheker nicht gäbe“, meinte Lauterbach damals.
Mit der Formulierung des Leitantrags hat er nach eigenem Bekunden dagegen nichts zu tun gehabt. Auch sonst schlägt er versöhnlichere Töne an: Für ihn sei die Rechtslage jetzt klar, deshalb wolle er sich in der Debatte auf die stärkere Nutzung der Apotheke und eine neue Honorierung fokussieren, sagte Lauterbach am Rande des Deutschen Apothekertags 2012 in München.
Der SPD-Gesundheitsexperte sieht gute Gründe, warum die Apotheker die Sozialdemoraten wählen sollten. „Weil wir uns gerade Gedanken machen, wie man Apotheker ausbildungsbedingt stärker in die Versorgung mit einbringt.“ Man habe den Apothekern einiges zu bieten. „Ich stelle aber auch klar: In erster Linie muss Gesundheitspolitik aus der Sicht der Patienten betrachtet werden.“ Und er fügte hinzu: „Wir wollen jetzt nicht die FDP bei den Apothekern als Klientelpartei ablösen.“
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