Die Hütte brennt, wenn es um das Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) geht. Und zwar nicht nur in den Apotheken, sondern auch innerhalb der SPD. Warum sonst schreibt Fraktionsvize Dagmar Schmidt nur zwei Wochen, bevor der Gesetzentwurf das Kabinett passieren soll, einen flammenden Brief an die Fraktionsmitglieder. Der Appell: Bloß nicht verrückt machen lassen.
Offene Türen läuft Lauterbach mit seiner Apothekenreform nicht ein – weder innerhalb der SPD, noch bei der Ampelkoalition, geschweige bei den Apotheken. Dass die Lage ernst ist, zeigt Schmidts Brief an die Parteikolleg:innen. Einmal mehr versucht die Fraktionsvize, Lauterbach den Rücken freizuhalten und wirbt um Zusammenhalt.
„Viele von euch werden derzeit vor Ort mit Kampagnen der Apothekerschaft konfrontiert“, beginnt Schmidt, um dann aber direkt eine andere Lesart einzuschlagen: „Viele Apotheken haben Probleme und Sorgen, die wir ernst nehmen.“ Wirtschaftliche Fragen, Personalmangel und bürokratische Hürden lähmten den Apothekenalltag. Nachfolger:innen seien schwer zu finden. Dementsprechend groß sei die Erwartungshaltung an die von „unserem Gesundheitsminister“ angestoßene Apothekenreform, die heftig diskutiert werde. „Der Kabinettsbeschluss steht noch aus, er wird voraussichtlich in der Sommerpause erfolgen“, so Schmidt.
„Die AG Gesundheit hatte euch bereits einen Musterbrief zur Verfügung gestellt“, heißt es weiter. „Darüber hinaus will ich euch einige Hinweise geben, mit denen ihr die Situation besser einordnen könnt.“
Dringend notwendige Reformen im Gesundheitswesen seien besonders wichtig. „Nichts tun ist keine Lösung, im Gegenteil.“ Daher sei es richtig, die Reformen zielstrebig anzupacken, und zwar gegen große Widerstände. „Wir wollen – unabhängig von Lobbyinteressen – ein besseres, ein bezahlbares und ein stabiles Gesundheitswesen. Ein Baustein von vielen ist dabei die Apothekenreform.“ Diese wolle man gemeinsam zum Erfolg führen.
Doch dabei gebe es verschiedene Herausforderungen und „teilweise irreführende Argumente“ in öffentlichen Diskussionen, behauptet die SPD-Politikerin.
Ziel der Reform sei es, die flächendeckende Versorgung mit Apotheken auch künftig sicherzustellen – vor allem im ländlichen Raum. Hier kommen zwei „Erleichterungen“ des ApoRG ins Spiel: Zweig- und Filialapotheken. So sollen Apotheker:innen künftig zwei Zweigapotheken betreiben dürfen, und zwar auch, ohne dass in einer Region ein Notstand erklärt wurde. Filialen sollen nach den Plänen des BMG nicht mehr auf denselben oder einen benachbarten Kreis beziehungsweise auf dieselbe oder eine benachbarte kreisfreie Stadt beschränkt sein und zudem flexibilisiert werden.
In diesem Punkt gibt es Kritik. „Gerade die neuen Möglichkeiten bei Zweig- und Filialapotheken werden von Teilen der Apothekerschaft kritisch gesehen und als ‚Apotheke light‘ bezeichnet.“
Von Apotheken ohne Approbierte ist keine Rede. Die Gestaltung der „Apotheke light“ erklärt Schmidt nicht. „Uns ist wichtig darauf hinzuweisen, dass wir am bewährten Grundsatz der persönlichen apothekerlichen Verantwortung – einschließlich Fremdbesitzverbotes – ausdrücklich festhalten wollen.“ Immerhin in einem Punkt herrsche Einigkeit mit den Apotheker:innen: „Wir sind uns mit der Apothekerschaft einig, dass wir investorengetriebene Apothekenketten ablehnen.“ Unter diesen Voraussetzungen werde man sich im parlamentarischen Verfahren die vorgeschlagenen Änderungen sehr genau ansehen.
„Die Apothekenvergütung ist ein komplexer Vorgang, der nicht immer zu einer gerechten Vergütung der Apotheken führt“, schreibt Schmidt, erklärt das Vergütungsmodell für Rx-Arzneimittel und weist auf Honorare für Notdienste und pharmazeutische Dienstleistungen hin.
Apotheken, die überdurchschnittlich viele besonders hochpreisige Arzneimittel abgeben, erhielten durch den prozentualen Zuschlag eine besonders hohe Vergütung, so Schmidt. Auf der anderen Seite würden Apotheken nur durchschnittlich oder unterdurchschnittlich verdienen, obwohl sie beispielsweise häufiger Notdienste leisten. „Die Vergütung soll künftig insgesamt gerechter ausgestaltet werden und den Versorgungsauftrag der Apotheken besser abbilden.“
„Ein wesentlicher Kritikpunkt eines Teils der Apothekerschaft ist, dass der Fixzuschlag seit 2013 nicht mehr erhöht wurde“, schreibt Schmidt. Bislang könne er nur durch eine Änderung der Arzneimittelpreisverordnung angepasst werden; zuständig sei das Bundeswirtschaftsministerium. Das solle sich ändern: Künftig solle die Zuständigkeit beim Bundesgesundheitsministerium (BMG) liegen.
Im ersten Schritt sollen Festzuschlag und Notdienstzuschlag erhöht und der prozentuale Zuschlag abgesenkt werden. Dann seien die Apotheker gefragt. Denn im nächsten Schritt sollen Anpassungen des Fixzuschlags nicht mehr durch eine Änderung der Arzneimittelpreisverordnung erfolgen, sondern „eigenverantwortlich“ durch die Selbstverwaltung. Abda und GKV-Spitzenverband sollen im Benehmen mit dem PKV-Verband das Honorar eigenständig verhandeln.
„Eine zentrale Forderung der Apothekerschaft ist es seit Jahren, eine Vergütungsstruktur zu schaffen, die maßgeblich in den Händen der Apothekerschaft mitverhandelt wird und nicht ohne sie per Verordnung“, so Schmidt. „Dem würde mit den Regelungen Rechnung getragen. Für uns steht fest, dass wir einen zielgerichteten Einsatz der Beitragsmittel brauchen, damit die Bezahlung der Versorgung folgt. Die Vergütungsregelungen werden daher im parlamentarischen Verfahren detailliert zu erörtern sein.“
„Wir sollten uns durch die anhaltenden Diskussionen über die Sommerpause hinweg nicht verrückt machen lassen und zunächst auf die konkrete Ausgestaltung der Apothekenreform in der kommenden Kabinettsfassung des Gesetzentwurfs hinweisen“, appelliert Schmidt. „Wir waren und sind im regelmäßigen guten Austausch mit den Verbänden, aber auch mit den Apothekerinnen und Apothekern vor Ort. Das setzen wir fort. Wir sind davon überzeugt, dass es uns im konstruktiven Dialog gelingen wird, ein attraktiveres Arbeitsumfeld für Apothekerinnen und Apothekern auch für die Zukunft zu gestalten.“ Und die flächendeckende Arzneimittelversorgung zu sichern.
„Entbürokratisierung und Entlastung auf der einen Seite und mehr Kompetenzen von Apothekerinnen und Apothekern und pharmazeutisch-technischen Assistentinnen und Assistenten auf der anderen Seite sind geeignet, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Apotheken zu stärken“, so Schmidt weiter. „Wir schätzen die Arbeit der Apothekerinnen und Apotheker sehr. Gleichermaßen haben wir die Situation der Apothekenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter im Blick, denn eine gute Apothekenversorgung gelingt nur als Teamleistung.“
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