Regierungsbildung

SPD geht offen in GroKo-Verhandlungen

, Uhr aktualisiert am 07.12.2017 20:05 Uhr
Berlin -

Zum Auftakt des Parteitages hat der SPD-Vorsitzende Martin Schulz die Sozialdemokraten aufgefordert, in offene Gespräche mit der Union über eine Regierungsbildung zu gehen. Schulz warnte davor, bestimmte Möglichkeiten der Regierungsbildung von vornherein auszuschließen. Der SPD-Chef warb vor den Delegierten für den Vorschlag des Parteivorstandes, „der keine Option vom Tisch nimmt und der uns alle Wege offen hält“. Darin enthalten ist auch die Forderung nach einer Bürgerversicherung. Schließlich stimmte der Parteitag mit großer Mehrheit für Schulz' Vorschlag, der auch als Parteichef wiedergewählt wurde.

Nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen zwischen Union, Grünen und FDP hatte sich Schulz noch kategorisch gegen eine Neuauflage der Großen Koalition ausgesprochen. Mit seinem Kursschwenk stellt sich Schulz nun gegen Forderungen vor allem von Jusos und Parteilinken, sich auf ein GroKo-Nein festzulegen. In der SPD ist die Neuauflage eines Bündnisses mit CDU/CSU hoch umstritten.

Der Parteitag hat entscheiden, dass es Gespräche geben wird. Mit Spannung war auch die Abstimmung über die erneute Kandidatur von Schulz für den SPD-Parteivorsitz erwartet worden. Er wurde am Abend mit 82 Prozent wiedergewählt. Bei seiner Wahl vor zehn Monaten hatte Schulz 100 Prozent der Stimmen erhalten. Damals gab es einen Schulz-Hype, der nach kurzer Zeit in sich zusammenbrach und mit mehreren Wahlniederlagen der SPD endete.

„Wir müssen nicht um jeden Preis regieren. Aber wir dürfen auch nicht um jeden Preis nicht regieren wollen“, sagte Schulz in seiner Parteitagsrede. „Auf den Inhalt kommt es an und nicht auf die Form.“ Entscheidend sei daher für ihn, „was wir durchsetzen können“. Auf welche Weise dies geschehen könne, das müsse noch ausgelotet werden. Die SPD müsse aber ihrer „Verantwortung, auch der nächsten Generation gegenüber, gerecht werden“. Der SPD-Parteivorstand hatte am Montag Bedingungen für eine Regierungsbeteiligung gefasst: „Eine Bürgerversicherung für alle soll das derzeitige System privater und gesetzlicher Krankenversicherungen ersetzen“, heißt es darin.

„Es gibt verschiedene, gleichwertige Wege, wie man zur Regierungsbildung in diesem Land beitragen kann“, bekannte sich Schulz zu ergebnisoffenen Gesprächen mit der Union. „Lasst uns zuerst sehen, welche Inhalte wir durchsetzen können und lasst uns dann entscheiden, in welcher Form wir das tun.“ Dabei gebe es „keinen Automatismus in irgendeine Richtung“. Schulz hob hervor: „Dafür gebe ich meine Garantie.“

Schulz forderte auf dem Parteitag auch, die Europäische Union bis 2025 in die Vereinigten Staaten von Europa mit einem gemeinsamen Verfassungsvertrag umzubauen. Die EU-Mitglieder, die dieser föderalen Verfassung nicht zustimmen, müssten dann automatisch die EU verlassen, sagte Schulz vor rund 600 Delegierten. „Ich will, dass es einen europäischen Verfassungsvertrag gibt, der die Vereinigten Staaten von Europa schafft. Lasst uns endlich den Mut aufbringen, Europa voranzubringen.“

Die Idee der Vereinigten Staaten von Europa nach dem Vorbild der USA gibt es schon weitaus länger als die Europäische Union. Die Sozialdemokraten hatten sich schon 1925 dafür ausgesprochen. Schulz nennt jetzt erstmals einen konkreten Zeitpunkt, bis zu dem dieses Ziel realisiert werden soll: 100 Jahre, nachdem die Sozialdemokraten einen solchen Schritt erstmals gefordert haben.

Schulz versprach seiner Partei nach dem Debakel bei der Bundestagswahl einen umfassenden Neubeginn. „Wir müssen schonungslos die letzten 20 Jahre aufarbeiten. Nicht um uns (...) in rückwärtsgewandten Debatten zu verlieren, sondern um aus unseren Fehlern zu lernen“, sagte Schulz. Es gelte eine Vision zu entwickeln, die die Menschen begeistere, einen Gesamtentwurf für das Land, zu zeigen, wofür die Sozialdemokratie im 21. Jahrhundert stehe.

Wir haben nicht nur diese Bundestagswahl verloren, sondern die letzten vier. Wir haben nicht nur dieses Mal 1,7 Millionen Stimmen verloren, sondern zehn Millionen seit 1998 – die Hälfte unserer Wählerschaft“, so der SPD-Chef. Schulz übernahm persönlich Verantwortung als Kanzlerkandidat bei der Wahl, die der SPD mit 20,5 Prozent das schlechteste Ergebnis in der Geschichte der Bundesrepublik beschert hatte. Er wandte sich an alle, die der SPD vertraut und an sie geglaubt haben: „Bei all diesen Menschen bitte ich für meinen Anteil an dieser bitteren Niederlage um Entschuldigung.“

Er habe privat und politisch schon „so manches Auf und Ab“ hinter sich, sagte Schulz. „Aber so ein Jahr kann man nicht einfach abschütteln. So ein Jahr steckt in den Knochen.“ Er wisse, wir enttäuscht und wütend viele Menschen seien. „Ich kann die Uhr nicht zurückdrehen, aber ich möchte als Parteivorsitzender meinen Beitrag dazu leisten, dass wir es besser machen.“

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