Spargesetz: Streit um Abschlag und Apothekenhonorar Patrick Hollstein, 27.09.2022 17:50 Uhr
Im Vorfeld der Anhörung am morgigen Mittwoch zum Spargesetz von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) haben die beteiligten Verbände ihre Stellungnahmen abgegeben. Während die Leistungserbringer die sie betreffenden Maßnahmen ablehnen, können die Kassen gar nicht genug kriegen. Derweil haben die Ärzte verschiedene Protestaktionen angekündigt.
Die Abda verweist in ihrer Stellungnahme auf die Resolution des Deutschen Apothekertags (DAT): Die Apotheken seien keine Kostentreiber, ihr Anteil an den GKV-Gesamtausgaben sei in den vergangenen 20 Jahren sogar gesunken. Die jährliche Mehrbelastung von rund 120 Millionen Euro pro Jahr – als 6500 Euro für eine durchschnittliche Apotheke – führe komplett zu einer entsprechenden Absenkung von Rohertrag und Vorsteuergewinn, da es keine Möglichkeiten gebe, sie durch Änderungen des Geschäftsablaufs zu verringern.
Dabei seien die Apotheken ohnehin bereits zusätzlich belastet: durch steigende Lohnkosten, explodierende Kosten für Miete, Heizung und Strom, signifkant schlechtere Einkaufskonditionen und zusätzlichen Mehraufwand etwa im Zusammenhang mit dem Management von Lieferengpässen.
Insolvenzen als Indikator
„In einer solchen Umgebung mit der Erhöhung des GKV-Abschlags die Apotheken stark zu belasten, und dabei gleichzeitig keine Perspektive für eine angemessenen Berücksichtigung der Kostensteigerungen zu geben, ist völlig unangemessen.“ Schließungen könnten die Folge sein und damit eine Gefährdung der flächendeckenden Versorgung: „Wenn Unternehmensschließungen und Insolvenzen als Indikator dafür herangezogen werden, ob eine weitere finanzielle Belastung des Sektors möglich ist, verdeutlichen die entsprechenden Werte für die öffentlichen Apotheken, dass die Grenzen der Lastentragungsfähigkeit schon jetzt deutlich überschritten sind, und sich jede weitere Belastung verbietet.“
Im Übrigen müsse der Abschlag als Nettobetrag ausgewiesen werden: „Den gesetzlichen Krankenkassen entstehen durch diese Umstellung keine Belastungen. Eine solche Umstellung würde aber sicherstellen, dass eventuelle Änderungen des auf Arzneimittel erhobenen Umsatzsteuersatzes keine unsachgemäßen wirtschaftlichen Folgewirkungen für die öffentlichen Apotheken haben.“
Disagio für Inkasso
Die geplante Anhebung des Herstellerrabatts nutzt die Abda, um auf das Inkasso-Risiko hinzuweisen, das sich gerade im Fall des Reimporteurs Beragena materialisiert hat. Gefordert wird daher ein Disagio von 3 Prozent für die Apotheken – analog zum Einzug der Kirchensteuer durch die Länder, hier übrigens ohne Übernahme eines Ausfallrisikos. Zusätzlich müssten der Prozess so modifiziert werden, dass im Falle eines Zahlungsausfalls die Kassen alle ausstehenden Forderungen direkt gegenüber dem pharmazeutischen Unternehmer einziehen.
Die geforderte Senkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel wird – unter Berücksichtigung steuerlicher Aspekte – begrüßt, ebenso die vom Bundesrat vorgetragene Abschaffung der Importklausel. Beides unterstützt auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI).
Kassen wollen höheren Abschlag
Die Kassen wollen dagegen noch mehr Geld von den Apotheken. Zurückhaltend formulieren es noch der GKV-Spitzenverband, der die Einsparungen auf rund 140 Millionen Euro beziffert, und der AOK-Bundesverband, der die beabsichtige Regelung begrüßt: „Angesichts der schwierigen Finanzsituation der GKV ist es legitim, dass auch die Apotheken in die Pflicht genommen werden, die Ausgabenlast zu mildern.“
Um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden, sollte ergänzend der Bezugszeitpunkt für den erhöhten Abschlag klar formuliert werden, fordern GKV- und AOK-Verband gleichlautend: „Denn in der Vergangenheit hatte es bei Änderungen des Apothekenabschlags Diskussionen gegeben, ob die jeweils zum Bezugszeitpunkt abgegebenen oder die hier abgerechneten Arzneimittel betroffen sind. Daher wäre es hilfreich, klarstellend zu ergänzen, dass die Erhöhung für alle im Bezugszeitraum abgegebenen Arzneimittel gilt.“
Der Ersatzkassenverband vdek sieht über den höheren Abschlag hinaus noch Einsparpotenzial bei den Apotheken: „Hier sollte aus Sicht des vdek eine Abschaffung der Finanzierung des Botendienstes durch die gesetzlichen Krankenkassen erfolgen, da diese Leistung vormals durch die Apotheken kostenfrei erbracht wurde.“
Anreiz für Hochpreiser
Der BKK-Dachverband will gleich das Apothekenhonorar mit angehen: Als kurzfristige Sparmaßnahme sei die Anhebung des Abschlags zwar zu begrüßen; allerdings werde die erneute Absenkung nach zwei Jahren zu Ausgabensteigerungen führen, die es zu kompensieren gelte.
„Als langfristige Maßnahme wäre der 3-prozentige Aufschlag für den Einkauf von Arzneimitteln zu deckeln“, so der Verband. „Diese Deckelung gewinnt angesichts der vermehrten Neueinführung hochpreisiger Arzneimittel immer mehr an Bedeutung. Der bislang nicht gedeckelte prozentuale Vergütungsanteil von 3 Prozent setzt dabei den Anreiz zur Abgabe hochpreisiger Arzneimittel – wobei teurere Arzneimittel keinen höheren Aufwand bei der Abgabe erzeugen.“
Vorgeschlagen wird daher ein Festzuschlag von 3 Prozent bis zu einem Betrag von 30 Euro. „Weiterhin ist eine Absenkung des Aufschlags in Höhe von 8,35 Euro für jede abgegebene Packung erforderlich. Laut BMWi-Gutachten wäre dieser Betrag deutlich zu hoch angesetzt und sollte auf 5,84 Euro abgesenkt werden.“
Grippeimpfung streichen
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) wiederum nutzt das Sparpaket, um die Streichung von Grippeimpfungen zu fordern. „Damit war und ist künftig die Inanspruchnahme der Impfung durch Versicherte in Arztpraxen noch schlechter einschätzbar. Hinzu kommt, dass Apotheken im Gegensatz zu Ärzten keinem Regressrisiko unterliegen. Diese Ungleichbehandlung ist nicht akzeptabel und kann u. E. nur zu weiteren Verwerfungen führen. Die bestehenden Regelungen können sich möglicherweise sogar negativ auf die Impfquoten auswirken.“