Trotz niedriger Impfquote

Spargesetz: Mehr Geld für Grippeimpfstoffe

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Berlin -

Deutlich weniger als die Hälfte der Grippeimpfstoffe wurden in der Saison 2021/22 verimpft – trotzdem hält das Bundesgesundheitsministerium (BMG) an einer zusätzlichen Reserve für die kommende Saison fest: Ausgerechnet mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG), das von allen Seiten heftige Sparbeiträge einfordert und heute zur ersten Lesung im Bundestag ist, soll ein zusätzliches Ausgabenvolumen von bis 75 Millionen Euro beschlossen werden.

Mit dem GKV-FinStG wird – wie in den beiden Vorjahren – eine zusätzliche Reserve bei Grippeimpfstoffen in Höhe von 30 Prozent eingeplant. Nach der bisherigen Regelung in § 132e Sozialgesetzbuch (SGB V) war dieser Umfang nur für die Jahre 2020 und 2021 vorgesehen und hätte danach eigentlich wieder auf 10 Prozent sinken sollen. Eine entsprechende Regelung findet sich auch in § 106b zur Wirtschaftlichkeit von Bestellungen seitens der Ärztinnen und Ärzte.

„Die Abschätzung des tatsächlichen Bedarfs an Grippeimpfstoff für die Grippesaison 2022/2023 ist aufgrund der Covid-19-Pandemie erheblich erschwert“, heißt es zur Begründung. Die Mehrausgaben für die Impfstoffe beziffert der Entwurf auf bis zu 50 Millionen Euro einschließlich Mehrwertsteuer, die Mehrausgaben für die ärztliche Vergütung auf bis zu 25 Millionen Euro. Allerdings ist die gesetzliche Regelung eher als Klarstellung zu verstehen: Die Grippeimpfstoffe wurden längst bestellt, produziert und zum Teil auch ausgeliefert.

Impfquote wie vor Corona

Aber inwiefern macht es Sinn, zusätzliche Mittel für Impfstoffe bereit zu stellen, die voraussichtlich gar nicht verimpft werden können? Zahlen der Techniker Krankenkasse (TK) und des GKV-Spitzenverbands deuten darauf hin, dass in der vergangenen Saison nur 13 bis 14 Millionen Grippeimpfungen durchgeführt wurden, also deutlich weniger als die Hälfte der 36 Millionen bestellten Dosen verimpft wurden. Mit anderen Worten: Die Zahl der Impfungen und damit die Impfquote liegt in etwa auf dem Niveau vor der Pandemie.

Zu den in der vergangenen Saison tatsächlich verimpften Dosen hat man im Ministerium offenbar noch eine Informationen: „Dem BMG liegen zur vergangenen Grippeimpfsaison keine Angaben zu verimpften Dosen an Grippeimpfstoffen vor“, so eine Sprecherin. Es sei „ausreichend Impfstoff für die Versorgung der Bevölkerung“ vorhanden gewesen – auch weil der Bund ergänzend zu den Bestellungen durch die Ärzteschaft eine zusätzliche „Reserve“ beschafft habe.

Keine Kosten für den Bund

Vor dem Hintergrund der Grippeimpfstoffversorgung in der letzten Grippeimpfsaison habe man aber davon abgesehen, für die aktuelle Grippeimpfschutzsaison eine zusätzliche „Bundesreserve“ zu beschaffen. „Insofern fallen für den Bund keine Kosten einer Beschaffung an.“ Der Entwurf sehe lediglich vor, dass auf Grund der anhaltenden Sars-CoV-2-Pandemie für die Bestellung von Grippeimpfstoffen auch in der kommenden Saison der vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) zu berücksichtigende erhöhte „Sicherheitszuschlag“ von 30 Prozent einkalkuliert werde. Und diesen müssen bei Abruf die Kassen zahlen – oder die Apotheken, wenn sie zu viel bestellen und darauf sitzen bleiben.

Weil wegen der Corona-Pandemie mit deutlich höherer Nachfrage gerechnet wurde, hatte das BMG im Frühjahr 2021 erstmals sechs Millionen Dosen zusätzlich bestellt, sodass die Gesamtzahl bei 26 Millionen lag. Im Vorjahr waren insgesamt 14 Millionen Dosen verimpft worden. Dass dennoch so viel Impfstoff übrig blieb, war der schlechten Koordination bei der Auslieferung der Impfstoffe geschuldet: Im Herbst kam es zunächst zu einem Ansturm auf die Praxen. Dann musste Apotheker:innen und Ärzt:innen auf Nachschub warten, insbesondere die nationale Reserve des Bundes wurde erst im November vergangenen Jahres in größerem Umfang ausgeliefert. Da war die Nachfrage seitens der Patient:innen aber schon eingebrochen. Der Impfstoff blieb in den Apotheken liegen.

Wirtschaftliches Risiko

Für die Saison 2020/21 konnten die Apotheken daher eine Erstattung beantragen. Für die vergangene Saison lehnte das BMG dies zuletzt ab: „Die Bestellung von Grippeimpfstoffen für eine Grippesaison ist naturgemäß mit Unsicherheiten und einem wirtschaftlichen Risiko behaftet. Dies betrifft nicht nur Apotheken, sondern alle am Prozess Beteiligten, von den bestellenden Ärztinnen und Ärzten über die Apotheken und den Großhandel bis hin zu den Impfstoffherstellern.“

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