Nach den jüngsten Pharmaskandalen um gestohlene oder verunreinigte Medikamente erwägt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn größere Kompetenzen für den Bund. Mit Blick auf den Fall von Blutdrucksenkern mit dem Wirkstoff Valsartan, die mit einem potenziell krebserregenden Stoff verunreinigt waren, sagte der CDU-Politiker am Sonntag in Berlin: „Einen Arzneimittelrückruf können wir – selbst mit Erkenntnissen wie bei Valsartan – gar nicht starten von Bundesebene, das können nur 16mal die Länder jeweils.“ Deswegen prüfe man, inwieweit Gesetzesänderungen nötig seien, damit das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als Bundesoberbehörde künftig „schneller agieren“ könne.
Spahn betonte, man habe in den vergangenen Monaten gemerkt, dass bestimmte Dinge in der Organisation „nicht mehr zu einer Pharmaproduktion, die eher weltweit vernetzt“ sei, passten. „Patienten müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Medikamente ordentlich und ohne Verunreinigung hergestellt werden“, hatte er bereits vor einiger Zeit der Süddeutschen Zeitung gesagt.
Das BfArM habe „zügig, unaufgeregt, aber zielorientiert reagiert“ und sei früher als andere europäische Behörden an die Presse gegangen, so Spahn am Freitag gegenüber der Stuttgarter Zeitung. „Und auch die Apotheker und die Ärzte informieren aktiv seit Anfang Juli auf allen Kanälen.“ Ihm sei wichtig gewesen, den Patienten sehr früh zu vermitteln, dass es gefährlicher gewesen wäre, die Medikamente abzusetzen.
Bei einem weiteren Pharmaskandal steht das Brandenburger Unternehmen Lunapharm im Fokus. Spahn sagte, er erwarte im Laufe des Herbstes einen Bericht von den brandenburgischen Behörden zu dem Fall – „und dann werde ich auch entsprechende arzneimittelrechtliche Änderungen vorschlagen, wenn die sich daraus ergeben.“
Der Berliner FDP-Fraktionsvorsitzende Sebastian Czaja hatte Spahn aufgefordert, die mutmaßlich gestohlenen Krebsmedikamente zur Chefsache zu machen. „Obwohl das gesamte Bundesgebiet betroffen sein könnte, hört man von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bisher überhaupt nichts. Herr Spahn muss jetzt einen Runden Tisch mit allen Gesundheitsminister der Länder einberufen und die Sorgen der betroffenen Patienten ausräumen. Die Aufklärung dieses Pharmaskandals muss von oberster Stelle geleitet werden – alles andere ist unterlassene Hilfeleistung. Im Lunapharm-Skandal darf nur eine Maxime gelten: absolute Transparenz und Aufklärung.“
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat derweil sein bisheriges Festhalten an der in einem Pharmaskandal unter Druck stehenden Landesgesundheitsministerin Diana Golze (Linke) verteidigt. „Für mich gilt immer: erst die notwendigen Erkenntnisse und dann klar entscheiden“, sagte Woidke. „Wir nehmen uns die Zeit, die Rolle von Frau Golze und ihrer Staatssekretärin zu beurteilen, wenn der erste Bericht der Kommission vorliegt. Es ist vorgesehen, dass Frau Golze dazu am Dienstag im Kabinett berichten wird“, sagte der Regierungschef. Ein schneller Rauswurf Golzes, wie aus der Opposition gefordert, hätte laut Woidke dazu geführt, dass man einem Nachfolger erst Zeit zur Einarbeitung hätte geben müssen.
Lunapharm soll jahrelang in Griechenland gestohlene Krebsmedikamente an Apotheken und Großhändler in mehreren Bundesländern vertrieben haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen sieben Beschuldigte wegen erwerbsmäßiger Hehlerei und Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz. Die Medikamentenaufsicht des Landes soll trotz früher Hinweise auf den illegalen Handel zunächst nicht durchgegriffen haben. Zwischenzeitlich wurde der Firma der Weiterbetrieb untersagt. Nach der Sitzung des Kabinetts am Dienstag will sich auch der Gesundheitsausschuss des Landtags in einer Sondersitzung unterrichten lassen.
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