Der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn will nicht für die Nachfolge des scheidenden CDU-Vorsitzenden Armin Laschet kandidieren. Das kündigte der bisherige stellvertretende CDU-Chef nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen am Mittwoch in der Sitzung der Unionsfraktion in Berlin an. Im Ringen um die Nachfolge von CDU-Chef Armin Laschet deutet sich eine Woche vor Ende der Bewerbungsfrist ein Dreikampf an. Neben den erwarteten Bewerbungen von Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz und dem Außenpolitiker Norbert Röttgen zeichnete sich am Mittwoch eine Kandidatur des geschäftsführenden Kanzleramtschef Helge Braun ab.
Spahn nahm sich unterdessen aus dem Rennen um den Parteivorsitz – bislang war unklar, ob er nicht doch noch antreten würde. Er werde nicht in parteiinterne Wahlkämpfe gehen und nicht als Parteichef kandidieren, sagte der bisherige stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende laut Teilnehmerkreisen in der Sitzung der Unionsfraktion in Berlin. Er werde vielmehr bis zur letzten Minute als Minister arbeiten und sich darauf konzentrieren.
Spahn wurde mit den Worten zitiert: „Ich bin im Team Union.“ Dazu wolle er seinen Beitrag leisten, indem er sich voll auf die Pandemie konzentriere. Zugleich betonte er nach Angaben von Teilnehmern, jetzt sei die Zeit für einen Neuanfang, „nicht für ehemalige Regierungsmitglieder“. Teilnehmer verstanden die Äußerung als Seitenhieb auf Braun. Für seine Ankündigung, nicht für den Vorsitz zu kandidieren, erhielt Spahn nach diesen Informationen Applaus.
Kanzleramtschef Braun soll nach Angaben eines Sprechers der hessischen CDU von seinem Heimatverband Gießen als Kandidat für den Bundesvorsitz der Partei nominiert werden. Auf einer virtuellen Landesvorstandssitzung der Partei am Freitag werde der 49-Jährige die Gründe für seine Bewerbung vorstellen, sagte ein Sprecher der Landes-CDU am Mittwochabend. Die Nominierung durch den Kreisverband Gießen solle ebenfalls am Freitag erfolgen. Braun ist Kreisvorsitzender der CDU Gießen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus CDU-Kreisen soll er für eine Kandidatur als Laschet-Nachfolger die Unterstützung des hessischen CDU-Vorsitzenden Volker Bouffier haben.
Der neue Vorsitzende soll am 21. Januar auf einem Parteitag in Hannover gewählt werden. Das Ergebnis der vorgeschalteten Mitgliederbefragung soll als bindend für die 1001 Delegierten gelten. Nach Einschätzung in der Partei dürfte bei der vom 4. Dezember an geplanten Mitgliederbefragung über den künftigen CDU-Vorsitzenden ein zweiter Wahlgang wahrscheinlicher werden.
In der CDU sorgten die Informationen über die Ambitionen von Braun, der als Vertrauter der scheidenden Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gilt, für gemischte Reaktionen. Die „Bild“-Zeitung zitierte einen nicht namentlich genannten CDU-Abgeordneten aus dem Merz-Lager mit den Worten: „Das Letzte, was die CDU jetzt braucht, ist ein Narkosearzt.“ Braun, der sich als oberster Corona-Bekämpfer Merkels einen Namen gemacht hat, aber auch viel Kritik einstecken musste, ist Narkosearzt. Die Zeitung zitierte einen Abgeordneten aus Niedersachsen mit den Worten: „Unfassbar. Der Kanzleramtschef der abgewählten Kanzlerin als Neuaufbruch?“
In CDU-Kreisen wurde vor dem Hintergrund einer möglichen Braun-Kandidatur von manchen aber auch von einem guten Signal gesprochen. So könne Braun ein Kandidat für viele Frauen in der Partei sein, die Merz schon länger skeptisch gegenüber stünden. Braun könne zudem ein Angebot für viele Anhängerinnen und Anhänger des Merkel-Kurses sein, die auch Röttgen kritisch sähen. Eine Stichwahl rücke bei drei Kandidaten näher, hieß es zudem. Unklar blieb zunächst, wann Merz und Röttgen ihre Kandidaturen öffentlich machen.
Braun wird seit längerem auch als möglicher Nachfolger von Bouffier als hessischer Ministerpräsident gehandelt. Bouffier ist stellvertretender Vorsitzender der Bundes-CDU. Er hatte sich im Machtkampf Laschets mit CSU-Chef Markus Söder um die Kanzlerkandidatur der Union im April klar hinter den damaligen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten gestellt.
Als nicht ausgeschlossen galt in der CDU weiterhin, dass mit Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus ein vierter Kandidat für die Laschet-Nachfolge antritt.
Der Chef des Unions-Nachwuchses von der Jungen Union, Tilman Kuban, äußerte sich lobend über Merz. Dieser sei „ein kluger Kopf, der Menschen begeistern kann und immer großen Wert daraufgelegt hat, die jüngeren in der Partei mitzunehmen und zu unterstützen“, sagte Kuban „Focus Online“. Über Röttgen befand der JU-Chef, er schätze ihn für seine Kompetenz als Außenpolitiker. Über dessen Aussage, für die Mitte der Partei zu stehen, sagte Kuban: „Alle potenziellen Bewerber stehen in der Mitte.“
Die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien will als stellvertretende CDU-Chefin zur Erneuerung der Partei nach dem historischen Desaster bei der Bundestagswahl beitragen. „Ich will meine Erfahrungen und Perspektiven gerne in das neue CDU-Präsidium einbringen. Deswegen werde ich auf dem Parteitag als stellvertretende Parteivorsitzende kandidieren“, sagte Prien, die seit Januar dem CDU-Bundesvorstand angehört, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Eine Kandidatur für die Nachfolge von Laschet lehnte sie ab.
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