Mit der eigentlich längst bekannten Ankündigung der raschen Einführung des E-Rezepts landete Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in den Publikumsmedien im Wettbewerb um den CDU-Parteivorsitz einen Achtungserfolg. Einen Tag darauf legt er im Handelsblatt mit einem weiteren Thema seines Gesetzgebungsagenda nach: „Gesundheitsminister Spahn will Pharmapreise senken“, titelte das Wirtschaftsblatt. Spahn will mit Biosimilars wie mit Generika den Krankenkassen sparen helfen. Wie das geschehen genau, bleibt allerdings noch unklar. Die angekündigte Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG-Novelle) soll erst in Kürze vorgestellt werden.
Biotechnologisch hergestellte Arzneimittel hätten sich in den vergangenen Jahren zu einem großen Treiber der Arzneimittelausgaben in Deutschland entwickelt, so das Handelsblatt. Die innovativsten Therapien gegen Krebs oder zur Behandlung von Rheuma kosteten allein von Januar bis September 2018 rund 6,7 Milliarden Euro. Einige der teuren Präparate hätten inzwischen ihren Patentschutz verloren, es seien günstigere Nachahmerprodukte am Markt verfügbar.
Das Einsparpotenzial bei Biosimilars wolle Spahn nun besser nutzen. „Biopharmaka sind elementar für die medizinische Versorgung unserer Patienten“, sagte Spahn dem Handelsblatt. „Wenn es günstigere Alternativen bei gleich hoher Versorgungsqualität gibt, müssen wir sie nutzen. Sonst könnten wir das hohe Niveau der Arzneimittelversorgung in Deutschland nicht halten.“
Im vergangenen Jahr hätten nach Angaben des Gesundheitsministeriums bei konsequenter Umstellung auf Biosimilars insgesamt 279 Millionen Euro eingespart werden können. Um die Arzneimittelausgaben in der GKV zu begrenzen, seien Apotheken seit 2002 grundsätzlich in der Pflicht, an Kassenpatienten preisgünstigere Generika abzugeben. Diese Regelung greife bei Biotech-Medikamenten aber bislang nicht.
Denn anders als bei klassischen Generika ähneln die Wirkstoffe bei Biosimilars zwar denen des Originalpräparats, sind jedoch nicht mit ihnen identisch. Mit einer Änderung des Arzneimittelgesetzes wolle Spahn den Umgang mit Generika und Biosimilars angleichen und nachgebaute Biopharmaka so stärker in die GKV-Versorgung bringen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) solle die Austauschbarkeit biologischer Arzneimittel regeln, beruft sich das Handelsblatt auf das Bundesgesundheitsministerium.
Ziel sei, dass Apotheken künftig bei vom Bundesausschuss festgelegten Biotech-Medikamenten ebenfalls das günstigere Nachahmerpräparat abgeben müssten – solange der verschreibende Arzt dem nicht ausdrücklich widerspricht. Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen sollten zudem feste Quoten für die Verordnung von Biosimilars definieren.
„Biosimilars werden zunehmend wichtig für die hochwertige und wirtschaftliche Versorgung der Patienten“, zitiert das Wirtschaftsblatt den Vizechef des GKV-Spitzenverbandes, Johann-Magnus von Stackelberg. „Deshalb ist es gut, dass der Minister deren Anwendung durch eine Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen erleichtern will.“ Unterstützung für Spahns Pläne signalisiert demnach auch die Ärzteschaft.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) empfehle schon seit Jahren Verordnungsquoten für Biosimilars, sagt KBV-Vize Stephan Hofmeister. Allerdings seien regionale Vorgaben starren bundesweiten Quoten „unbedingt vorzuziehen“, um die unterschiedlichen Versorgungsbedingungen zu berücksichtigen. Hofmeister verwies darauf, dass einige Krankenkassen mit den Herstellern von Originalpräparaten bereits Rabattverträge geschlossen hätten. In diesen Fällen sollten Ärzte dann auch das Original verschreiben können.
Die Hersteller von Nachahmerprodukten sähen die Rabattverträge der Originalhersteller dagegen als Hemmnis für die Verbreitung günstiger Alternativen. „Biosimilars sorgen für Wettbewerb, wo vorher Monopole herrschten“, so Stephan Eder, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Pro Biosimilars, im Handelsblatt. Spahns Vorstoß komme zu einer spannenden Zeit im Markt für Biotech-Medikamente.
Mitte Oktober habe das weltweit mit Abstand umsatzstärkste Medikament, Humira, seinen Patentschutz verloren. Das Rheumamittel des US-Konzerns Abbvie erzielte 2017 umgerechnet mehr als 16 Milliarden Euro Umsatz weltweit. Die deutschen Krankenkassen gaben vergangenes Jahr knapp eine Milliarde Euro für Humira aus – fast 3 Prozent der gesamten Arzneimittelausgaben. Die Nachahmer stünden bereits in den Startlöchern: Weltweit arbeiten rund 30 Firmen daran, eine eigene Zulassung für den Biotechwirkstoff Adalimumab zu bekommen. Einigen Firmen sei das bereits vor dem Patentablauf gelungen. Der Fall Humira zeige, wie groß das künftige Einsparpotenzial sein kann. Das Gesundheitsministerium rechnete dem Handelsblatt vor, dass der Preisabstand zwischen dem Originalpräparat von Abbvie und dem günstigsten aktuell verfügbaren Biosimilar etwa 40 Prozent beträgt.
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