Woher kamen die Millionen, mit denen Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und sein Ehemann Daniel Funke im Frühsommer 2020 ihre Berliner Luxusvilla finanzierten? „Der Spiegel“ und „Die Zeit“ haben weiter recherchiert und Erstaunliches zu Tage gefördert – etwa über eine größere Erbschaft, die es nie gab, und eine Bank aus Österreich, bei der eine bereits gestellte Kreditanfrage wieder zurückgezogen wurde.
4,125 Millionen Euro kostete die Architektenvilla im noblen Stadtteil Dahlem, 550.000 Euro kamen wohl rein rechnerisch an Nebenkosten hinzu. Laut „Spiegel“ wurde der Kauf fast komplett finanziert: Eine Grundschuld über 1,75 Millionen Euro ließ die Sparkasse Westmünsterland am 27. Jull 2020 ins Grundbuch eintragen, weitere 313.000 Euro die Provinzial-Nordwest-Versicherung.
Weitere zwei Millionen Euro sollte offenbar die Raiffeisenbank Attersee-Süd zur Verfügung stellen. Jedenfalls schickte Spahns und Funkes Notariat laut Bericht am 14. August eine entsprechende Urkunde ans zuständige Amtsgericht. An ebenjenem Freitag erschien aber am frühen Nachmittag im „Business Insider“ der erste Bericht zum Villenkauf – und gleich am Montagmorgen darauf zog das Notariat den Antrag auf Eintragung im Grundbuch per Fax zurück. Stattdessen wurde eine Woche später ein anderes Darlehen zur Eintragung übermittelt: Weitere 2,5 Millionen Euro hatte demnach die Sparkasse Westmünsterland bereitgestellt.
Gleich mehrere Fragen drängen sich für die Autoren auf:
Der „Spiegel“ hat aber auch eine Präsentation ausgegraben, mit der der Vorstand der Sparkasse ein Jahr später die mittlerweile in die Schlagzeilen geratene Finanzierung gegenüber seinem Verwaltungsrat rechtfertigen wollte. Immerhin war Spahn nicht nur ein prominenter Politiker, sondern sogar selbst lange Mitglied in dem Kontrollgremium. Die Botschaft sei eindeutig gewesen: Nicht Spahn, sondern sein Ehemann verfüge über Geld. Und zwar in Österreich.
Womit die Spur abermals zur Raiffeisenbank in Salzburg führt. Angeblich werde dort ein Erbe verwaltet, schrieb die „Zeit“ schon vor einem Jahr unter Berufung auf Spahns Umfeld. Bleibt immer noch die Frage nach dem Rückzieher bei der Finanzierung? Und wessen Erbe überhaupt? Auf erneute Nachfragen der „Zeit“ sei vom 2019 verstorbenen Vater Funkes die Rede gewesen. Wobei – wie auch schon zuvor und auch danach – unklar blieb, ob mit „Umfeld“ eine bewusst platzierte Aussage aus dem engeren Kreis „unter drei“ (also ohne Nennung der Quelle) gemeint war oder die Aussage eines externen Informanten ohne Kenntnis Spahns und Funkes.
Doch nachdem sich der „Spiegel“ in dessen Heimatort umgehört hatte, war davon keine plötzlich keine Rede mehr. „Wie es zu dieser Darstellung kam, kann Herr Spahn nicht nachvollziehen“, wird sein Sprecher zitiert. Und etwas schnippisch: „Dass Herr Funke Senior nicht vermögend war und nie in Österreich gelebt hat, ist dem Ehepaar Funke/Spahn bekannt.“ Warum dann die angeblich falschen Aussagen nie korrigiert worden seien? Weil man die Sache nicht kommentieren wollte. Zuvor war Spahn gegen mehrere Medien juristisch vorgegangen, um die Berichterstattung untersagen zu lassen.
Zum „Schatz vom Attersee“, so der Titel des Beitrags, wollten sich Spahn und Funke nicht äußern – weder gegenüber dem „Spiegel“ noch gegenüber der „Zeit“. Abermals wird nur aus dem „Umfeld“ zitiert, dass Funke bei der Raiffeisenbank ein Depot geführt habe. Dafür seien Immobilienerlöse in Wertpapiere investiert worden, die dann über die Zeit deutlich im Wert gestiegen seien. 2020 sei das Depot zur Sparkasse umgezogen worden, Steuern seien dabei nicht angefallen. Mit dem Geld habe alles seine Richtigkeit. „Herr Spahn war und ist kein Kunde der Raiffeisenbank Attersee“, zitierte die „Zeit“ schon vor einem Jahr.
Wenn das in Österreich zwischengeparkte Vermögen aber alleine Funke gehört: Warum gehört ihm dann nur ein Drittel der Villa – und Spahn der größere Teil. Gegenüber dem „Spiegel“ ließ der ehemalige Minister ausrichten, dass er als gelernter Bankkaufmann erfolgreich „größere Teile seines Einkommens über zwei Jahrzehnte in Wertpapieren und Immobilien angelegt“ habe. Als Sicherheit für die Villa hätten er und sein Mann außerdem Guthaben aus Bauspar- und Altersvorsorge eingesetzt. Schließlich habe man Wertpapiere verkauft, die bei der Sparkasse und Deka gelegen hätten. Und zuletzt habe man Kredite anderer Immobilien, die ihnen gehörten, ausgereizt.
Der „Spiegel“ bot Spahn und Funke an, Belege auf den Tisch zu legen und sicherte Vertraulichkeit zu. Beide lehnten ab. Privatsache.
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