Spahn verjagt die Apotheker Alexander Müller, 18.06.2018 10:29 Uhr
Die Apotheker trauen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) noch nicht so recht über den Weg. Sie befürchten ein Sparpaket aus seiner Feder und haben große Zweifel, dass er das versprochene Rx-Versandverbot in die Tat umsetzt. Bei einer aktuellen Umfrage von APOSCOPE aus der Reihe ACAlert im Auftrag von ACA Müller ADAG Pharma wurde auch die Sonntagsfrage gestellt – die Union verliert massiv.
Im Herbst will Spahn sein Reformpaket für den Apothekenmarkt vorstellen. Zur Umsetzung des im Koalitionsvertrag vereinbarten Rx-Versandverbots hat sich der Minister bisher nicht klar bekannt – und nach aktuellem Stand muss man davon ausgehen, dass er nach einer Alternative sucht. Tendenziell negativ bewerten die Apotheker daher seine bisherige Arbeit im Amt. 23 Prozent finden, dass er einen guten Start als Minister hingelegt hat, 62 Prozent sehen das anders. Unter den Apothekeninhabern ist die Skepsis mit 80 Prozent noch größer.
Spätestens seit Spahn einen Platz am Kabinettstisch hat, wird er als möglicher Kanzlerkandidat und Nachfolger von Angela Merkel (CDU) gehandelt, doch die große Mehrheit der Apotheker traut ihm höhere Weihen nicht zu. Fast die Hälfte (48 Prozent) stimmen der Aussage „überhaupt nicht“ zu, dass Spahn Kanzler kann. Weitere 20 Prozent stimmen der Aussage „nicht“ zu, 24 Prozent „eher nicht“. Damit sehen insgesamt 92 Prozent Spahn nicht als ihren künftigen Bundeskanzler. Unter den Angestellten in Apotheken ist Spahns Ruf nur geringfügig besser. 15 Prozent können sich ihn als Merkels Nachfolger vorstellen.
Womöglich aufgrund seines Zögerns beim Rx-Versandverbot trauen die Teams in den Apotheken dem Minister nicht so recht über den Weg. 51 Prozent glauben, dass Spahn als Minister den Apotheken vor Ort nicht positiv gegenübersteht. 25 Prozent sind sich in dieser Frage unsicher. Bei den Inhabern ist dieses Misstrauen mit 82 beziehungsweise 2 Prozent noch größer.
Die Versandapotheken haben aus Sicht der Befragten bei Spahn eine deutlich bessere Lobby. 55 Prozent stimmen der Aussage zu, dass Spahn dem Versandhandel zugetan ist. Bei den Inhabern sind es sogar 80 Prozent. Bei den Angestellten herrscht in dieser Frage größere Unsicherheit („weiß nicht“: 30 Prozent).
Die Apotheker fordern von der Politik seit Langem eine Honorarerhöhung. Doch im Lichte der aktuellen Debatte um das 2hm-Gutachten und den aktuellen Forderungen des GKV-Spitzenverbands befürchten die meisten Inhaber weitere finanzielle Einschnitte: 76 Prozent von ihnen erwarten, dass die Apotheken in dieser Legislaturperiode noch ein Spargesetz trifft.
Entsprechend rechnen die wenigsten Inhaber (4 Prozent) mit einer Honorarerhöhung bis zur nächsten Bundestagswahl. Ihre Angestellten sind da etwas optimistischer: 12 Prozent glauben, dass es mehr Geld gibt. Insgesamt herrscht bei ihnen auch in dieser Frage relativ große Unsicherheit („weiß nicht“: 15 Prozent).
Dass Spahn sich doch noch zu einem Rx-Versandverbot durchringt, wird allgemein nicht erwartet: 68 Prozent glauben nicht, dass das Gesetz kommt, bei den Inhabern sind es sogar 88 Prozent. Von den Apothekenleitern sind nur noch 6 Prozent vollkommen überzeugt, dass Spahn die Vorgabe aus dem Koalitionsvertrag umsetzen wird.
Zum Vergleich: Im März gaben auf dieselbe Frage noch 40 Prozent der Approbierten an, dass Spahn das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umsetzen wird. Auch damals war bei den Inhabern die Skepsis bereits besonders groß. Und auch damals gingen die meisten Teilnehmer schon davon aus, dass sich Spahn intensiv mit dem Apothekenmarkt auseinandersetzen wird: 53 Prozent der Apotheker – und dabei 60 Prozent der Inhaber – rechneten mit „strukturell tiefgreifenden Veränderungen“. 38 Prozent gingen nicht davon aus, dass es größere Eingriffe ins System geben wird.
Hinter all den Perspektivfragen zur laufenden Legislaturperiode steht eine grundsätzliche Frage: Hält die Koalition überhaupt? Die Teams in den Apotheken sind sich da nicht so sicher: 36 Prozent sagen, dass die GroKo keine vier Jahre besteht, 42 glauben, dass sich Union und SPD zusammenraufen. Die APOSCOPE-Umfrage war allerdings schon vor dem vorläufigen Höhepunkt der Krise zwischen CDU und CSU im Streit um die Flüchtlingspolitik abgeschlossen.
Und wenn es Neuwahlen gäbe? Die Union liegt in der Gunst der Apothekenteams immer noch klar vorn, hat seit der letzten Befragung im Dezember aber massiv verloren. Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, würden 28,6 Prozent der Teilnehmer CDU/CSU ihre Stimme geben, in der Teilgruppe der Inhaber wären es stolze 42 Prozent.
Dahinter liegen Die Linke mit 10 Prozent (Inhaber: 14 Prozent) und Bündnis 90/Die Grünen mit 9,3 Prozent, wobei letztere die Stimmen ausnahmslos im Lager der Angestellten gewinnen. Damit liegen die Grünen noch vor der SPD mit 7,3 Prozent, die bei den Inhabern einen katastrophalen Stand hat (2 Prozent).
Die AfD würde den Einzug in das Parlament diesmal klar verpassen (3,7 Prozent), bei sich die Inhaber komplett von den Rechtspopulisten abgewandt haben (0,0 Prozent). Auch auf die FDP im Bundestag können die Apotheker gut verzichten: Nur 3,3 Prozent der Teilnehmer würden den Liberalen ihre Stimme geben (Inhaber 2 Prozent). Auffällig: Jeweils 28 Prozent der Inhaber und Angestellten wüssten heute nicht, bei welcher Partei sie am Sonntag ihr Kreuz setzen würden. An den Ergebnissen könnte sich also noch sehr viel verändern.
Auffällig ist, dass diesmal die Union massiv verloren hat: Bei der Umfrage im Dezember gaben noch 43,6 Prozent der Teilnehmer an, CDU/CSU zu wählen, unter den Inhabern waren es seinerzeit sogar 65,9 Prozent. Die Hängepartie beim Rx-Versandverbot hat offenbar Spuren bei der Wählerschaft in der Offizin hinterlassen.
An der aktuellen Umfrage von APOSCOPE aus der Reihe ACAlert nahmen am 6. und 7. Juni 2018 insgesamt 305 Apotheker und PTA teil, darunter 50 Inhaber oder Apothekenleiter. Die Befragung wurde vom Importeur ACA Müller ADAG Pharma in Auftrag gegeben.