Persönliche Wahlerfolge

Spahn und Lauterbach: Zwei Sieger, zwei Wege

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Berlin -

Vor vier Jahren haben sie gemeinsam den Gesundheitsteil des Koalitionsvertrages für die Große Koalition ausgehandelt. Jetzt gehören die beiden zu den wenigen persönlichen Gewinnern aus den Reihen der Regierungsfraktionen bei der Bundestagswahl: Jens Spahn (CDU) hat sein Direktmandat gegen den Trend klar verteidigt. Und Karl Lauterbach (SPD) hat entgegen vieler Erwartungen in seinem Wahlkreis den Vorsprung gegenüber der CDU ausgebaut. Die Gründe sind unterschiedlich, werfen aber ein Schlaglicht auf die politische Landschaft, analysiert Lothar Klein.

Obwohl die CDU bei den Zweitstimmen stärkste Partei in Leverkusen im Kölner Norden wurde, konnte SPD-Kandidat Lauterbach seinen CDU-Kontrahenten Helmut Nowak bei den Erststimmen mit gut 38 Prozent klar um mehr als acht Prozentpunkte abhängen. Im Wahlkampf hatte Lauterbach das Thema Feinstaubbelastung in Verbindung mit der Forderung nach einem langen Autobahntunnel für die Stadt zu seinem Hauptthema gemacht. Politikwissenschaftler Tim Spier von der Universität Siegen sieht in Lauterbachs Erfolg den Beleg, dass persönliches Engagement und Themen-Wahlkampf erfolgreiche Mittel sind, selbst deutliche Trends zu drehen.

Andere Bespiele für persönliche begründete Wahlerfolge sind für Spier Cem Özdemir von den Grünen, der in seinem Wahlkreis Stuttgart I mit 29,7 Prozent der Erststimmen fast das Direktmandat geholt hätte oder der frühere Linken-Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi, der seinen Berliner Wahlkreis Treptow-Köpenick mit 39,9 Prozent wieder direkt gewonnen hat. Aktuellen Nutzen ziehen kann die SPD aus Lauterbachs Erfolg aber nicht. Mit seinem Sieg verdrängt Lauterbach schließlich einen anderen SPD-Kandidaten von der NRW-Landesliste der SPD.

Allerdings: „Natürlich können solche politischen Charaktere mit Gespür für Themen und hohem persönlichen Einsatz auf lange Sicht ganz wichtig für ihre Parteien sein“, sagt Spier in der Rheinischen Post. Ob die SPD diese Talente von Lauterbach weiter nutzen will, muss sich erst noch zeigen. In den letzten vier Jahren spielte Lauterbach als für Gesundheitspolitik zuständiger Fraktionsvize und Gegenspieler von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) eine entscheidende Rolle in der großen Koalition – nicht nur mit seinem Nein zum Rx-Versandverbot.

In der neuen Rolle der SPD als Oppositionspartei sind die politischen Claims aber noch nicht abgesteckt: Lauterbach gehört wie die designierte SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles zur PL, der Parlamentarischen Linken der SPD. Und die Zahl seiner Freunde ist in der SPD ebenso überschaubar wie im SPD-Landesverband NRW. Das mach die Sache kompliziert.

Schon im Wahlkampf hatte sich Lauterbach öffentlich über den Mangel an Rückhalt in der eigenen Partei beklagt: „SPD hatte keinen sicheren Listenplatz für mich“, twitterte Lauterbach, „dazu mehr nach der Wahl“. Er sei „immer auf der Straße gewesen und habe an der Keupstraße in Köln-Mülheim ein stark frequentiertes Bürgerbüro, das wird häufig unterschätzt“, begründet Lauterbach seinen Wahlerfolg. Für viele Migranten sei er der „einzig nahbare Politiker“. Anspruch auf führende politische Positionen ließe sich daraus schon ableiten.

Neben dem SPD-Fraktionsvorsitz gibt es derzeit neun Stellvertreterposten mit Zuständigkeiten für Fachgebiete. Da der konservative Seeheimer Kreis die Wahl von Nahles nur zähneknirschend mitträgt, könnte es beim Gerangel um die Neubesetzung wichtiger Fraktionsposten für Lauterbach trotz seines Wahlerfolges eng werden.

Anders Jens Spahn: Der Staatssekretär im Finanzministerium mauserte sich im Wahlkampf zum konservativen Aushängeschild der CDU. Spahn ärgerte sich öffentlich über zu viele englisch sprechende Kellner und Hipster in Berlin, beklagte die Verrohung der Gesellschaft oder beschwerte sich über prüde Muslime in Fitness-Studios. Das brachte ihm offenbar nicht nur Schlagzeilen, sondern sicherte ihm über 51 Prozent der Erststimmen in seinem Wahlkreis Steinfurt/Borken im nördlichen Münsterland. Vereinzelt schrieben ihn Magazine wie der Stern bereits zum Kanzlerreservisten Nummer eins hoch.

Wohin die politische Karriere Spahn noch spült, bleibt abzuwarten. Zunächst einmal könnte er vorübergehend Hausherr im Bundesfinanzministerium werden, falls Wolfgang Schäuble (CDU) in den nächsten vier Wochen tatsächlich zum Bundestagspräsidenten gewählt wird. Bewegen kann Spahn im Finanzministerium während der Übergangszeit politisch zwar nichts mehr. Aber er könnte als Chefverhandler Haushalt und Finanzen in den Koalitionsgesprächen eine Schlüsselrolle übernehmen.

Gut Freund mit Kanzerlin Angela Merkel ist Spahn nicht: Auf dem CDU-Parteitag in Essen im vergangenen Dezember gelang es Spahn beim heiklen Thema doppelte Staatsbürgerschaft, eine Mehrheit in der Union gegen die CDU-Parteivorsitzende zu mobilisieren. Merkel war düpiert. Und Merkel ist nachtragend. Das könnte Spahns raschen Aufstieg also noch bremsen – solange Merkel über die Macht dazu verfügt.

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