Spahn sperrt Apothekenhonorar Patrick Hollstein, 25.09.2018 17:54 Uhr
Rabattverträge für Impfstoffe sind verboten, auch Apotheken sollen keine Vereinbarungen mit den Krankenkassen mehr schließen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat in den Kabinettsentwurf zum Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) eine Regelung aufgenommen, die solche Verträge unattraktiv macht.
Demnach sollen Kassen und Apothekerverbände zwar weiterhin Verträge über die Versorgung der Arztpraxen mit Impfstoffen schließen können. Allerdings sollen die Apotheken nur noch den „tatsächlich vereinbarten Einkaufspreis, höchstens jedoch den Apothekeneinkaufspreis“ abrechnen können. Dazu sollen eine „Apothekenvergütung von einem Euro je Einzeldosis sowie die Umsatzsteuer“ erstattet werden.
„Die Krankenkasse können von der Apotheke Nachweise über Bezugsquellen sowie die tatsächlich vereinbarten Einkaufspreise und vom pharmazeutischen Unternehmer Nachweise über die Abnehmer, die abgegebenen Mengen und die vereinbarten Preise für Impfstoffe verlangen“, heißt es in der neu aufgenommenen Regelung im Kabinettsentwurf.
Im Referentenentwurf war noch eine andere Regelung vorgesehen. Demnach sollten die Kassen die Kosten für Impfstoffe bis zum Preis des zweitgünstigsten Herstellers übernehmen. Auch damit sollten exklusive Verträge ausgeschlossen werden; allerdings tauchte die Befürchtung auf, dass es zu Preisabsprachen kommen könnte.
Wie viel die Kassen nun womöglich mehr ausgeben müssen, kann das Bundesgesundheitsministerium (BMG) nicht beziffern, schon weil in dieser Saison erstmals der tetravalente Impfstoff zum Einsatz kommt. Eventuellen Mehrkosten stünden aber verminderte Ausgaben durch den zusätzlichen gesetzlichen Abschlag auf die Preise für Impfstoffe gegenüber, heißt es. „Die Vergütung der Apotheken von einem Euro je Impfdosis bei der Abgabe von Impfstoffen an Ärzte entspricht weitgehend bestehenden Vereinbarungen zwischen den Krankenkassen oder ihren Verbänden mit der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisation der Apotheker auf Landesebene.“
Spannend vor allem für Apotheker in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ist die Frage, ab wann die neue Regelung – sofern sie denn verabschiedet wird – gilt. Das Gesetz soll direkt nach Verkündung in Kraft treten; damit würden für bereits bestellte Grippeimpfstoffe die Karten neu gemischt.
Ausschreibungen für Impfstoffe waren mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) verboten worden, allerdings hatten die AOK Nordost und der Berliner Apotheker-Verein (BAV) zum Jahresbeginn eine Vereinbarung geschlossen, nach der Patienten in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern in dieser Saison mit der tetravalenten Vakzine zum Vertragspreis versorgt werden.
Die Impfstoffvereinbarung in Berlin existiert bereits seit 2011 und funktioniert wie folgt: Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) fordert die Mediziner auf, Grippeimpfstoffe generisch zu verordnen und die Bestellungen möglichst früh in einer Apotheke ihrer Wahl abzugeben. Überlässt die Praxis ihrem Lieferanten die Auswahl des Impfstoffs, gilt ein zwischen den Vertragspartnern vereinbarter Festpreis pro Impfdosis.
Der BAV wiederum schließt über seine Tochterfirma D.S.C. Verträge mit Herstellern. Der frühzeitige Auftragseingang ermöglicht es den Firmen, ihre Produktion entsprechend dem Bedarf zu planen; in den vergangenen Jahren lief das Procedere sogar schon im Januar. Die Apotheken profitieren wiederum von günstigen Konditionen.
Für den quadrivalenten Impfstoff ist ein Betrag von 10,95 Euro plus Mehrwertsteuer vorgesehen. Entschließt sich eine Apotheke, sich in Eigenregie um die Beschaffung eines Grippeimpfstoffs zu kümmern, muss sie selbst zusehen, dass sie kostendeckend arbeiten kann. Die beiden verfügbaren quadrivalenten Impfstoffe Vaxigrip tetra (Sanofi) und Influsplit tetra (GSK) haben einen Listenpreis von 131,09 Euro je 10er-Packung – also deutlich mehr, als mit der AOK Nordost vereinbart wurde.
Beim aktuellen Vertrag hatte Mylan bei D.S.C. den Zuschlag erhalten; der Generikakonzern hatte sich nicht nur über Rabattverträge weite Teile des Marktes gesichert, sondern war auch in Berlin bereits in den vergangenen Jahren als einer von zwei Partnern mit dabei.
Bis zum 12. März sollten die Ärzte die Bestellungen in den Apotheken einreichen; die Kollegen sollten die Praxen daher möglichst frühzeitig ansprechen. Allerdings wies der BAV darauf hin, dass die Impfstoffe unterschiedliche Zulassungen für unter 18-Jährige haben. Mindestens 10, maximal 250 Impfdosen dürften auf einem Rezept über Sprechstundenbedarf stehen, bei höherem Bedarf seien mehrere Rezepte auszustellen, hieß es. Bis zum 31. Mai 2019 müssen alle Rezepte bei der AOK Nordost zur Abrechnung eingereicht sein. Verordnet der Arzt einen bestimmten Impfstoff oder eine bestimmte Applikationsart, etwa nasal (Fluenz tetra), muss die Apotheke sich dies ausdrücklich bestätigen lassen und einen Kostenvoranschlag bei der AOK Nordost einholen.
Das Modell war nach einem Angriff durch Novartis 2011 vom Bundeskartellamt für rechtmäßig erklärt worden. In der ersten Runde 2011/12 konnten 11 Euro für Impfstoffe ohne Adjuvans und 14 Euro für Impfstoffe mit Adjuvans abgerechnet werden. Seitdem sind die Preise deutlich gesunken: In der Saison 2012/2013 gab es 8,99 Euro, 2013/2014 noch 7,75 Euro und 2014/15 noch 7,20 Euro. Immerhin konnten durch das Modell Ausschreibungen wie in fast allen anderen Bundesländern verhindert werden.
Nicht überall waren die Rabattverträge zum Nachteil der Apotheker. In Baden-Württemberg etwa gab es für den Wechsel auf den Rabattpartner einen kleinen Bonus – immerhin gibt es im Sprechstundenbedarf keine gesetzliche Austauschpflicht. Die spannende Frage ist, wie die Kassen in diesen Ländern nach der Abschaffung der Ausschreibungen und dem Wechsel vom tri- zum tetravalenten Impfstoff reagieren.
Bei welchen Impfungen die Kosten von den Krankenkassen übernommen werden, ist in der Schutzimpfungsrichtlinie geregelt. Zuständig ist der Gemeinsame Bundesausschusses (G-BA). Im April wurde die Richtlinie angepasst. Bereits kurz nach Veröffentlichung der neuen STIKO-Empfehlung im Epidemiologischen Bulletin hatte der Vorsitzende Josef Hecken Medienberichte zurückgewiesen, in denen über eine Nichtumsetzung und damit verbunden eine schlechtere Behandlung von Kassenpatienten gemutmaßt wurde.
Auch der BAV wies darauf hin, dass der G-BA in der Vergangenheit den STIKO-Empfehlungen „in der Regel ohne Abstriche“ gefolgt sei. Vor diesem Hintergrund habe man sich entschieden, bereits im Vorgriff auf die Entscheidung Verträge mit den Kassen zu schließen.