Mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) dürfen Daten zur persönlichen Gesundheit pseudonymisiert zu Forschungszwecken aufbereitet und ausgewertet werden. Jetzt hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eine Verordnung vorgelegt, mit der die bisherige Datenaufbereitungsstelle zu einem Forschungsdatenzentrum weiterentwickelt wird. Angedockt wird es an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), muss aber unabhängig geführt werden. Alle Gesundheitsdaten der Bevölkerung werden von den Krankenkassen zur Verfügung gestellt und über eine „Vertrauensstelle“ pseudonymisiert. Erfasst werden auch die Daten aller Apotheken und alle Daten der Verordnung und der Arzneimittelabgabe.
Das DVG war datenschutzrechtlich umstritten, weil die Gesundheitsdaten an die neue zentrale Forschungsstelle übermittelt werden, ohne dass der Patient widersprechen kann. Das Forschungsdatenzentrum soll damit 30 Jahre und länger arbeiten können, wenn es etwa um den Kampf gegen Demenz, Krebs oder andere Erkrankungen mit einer langen symptomfreien Zeit geht. Besonders umstritten war die erleichterte Nutzung von Abrechnungsdaten der Krankenkassen für die Forschung. Jetzt hat Spahn dazu die Details vorgelegt.
„Die gesetzlichen Änderungen durch das Digitale-Versorgung-Gesetz erfordern eine Neuregelung der Datentransparenzverordnung“, heißt es in der Verordnung. Danach sei in der Rechtsverordnung festzulegen, welche öffentlichen Stellen des Bundes die Aufgaben des Forschungsdatenzentrums und der Vertrauensstelle wahrnehmen. Darüber hinaus ist in der Rechtsverordnung die Art und der Umfang der von den Krankenkassen zu übermittelnden Daten, die Datenverarbeitung durch den GKV-Spitzenverband, das Verfahren der Pseudonymisierung der Versichertendaten und die Wahrnehmung der Aufgaben des Forschungsdatenzentrums, einschließlich der Bereitstellung von Einzeldatensätzen näher zu regeln.
Dazu werden von Spahn jetzt zwei eigenständige öffentliche Stellen mit der Wahrnehmung der Aufgaben des Forschungsdatenzentrums und der Vertrauensstelle betraut. Die Vertrauensstelle wird beim Robert Koch-Institut (RKI) eingerichtet, das bereits mit der Aufgabe im Zusammenhang mit dem Implantateregister betraut ist und laut Verordnung „über die hinreichenden Sicherheitsstandards, geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zur Wahrung der Rechte der Betroffenen und Expertise verfügt.“ Das bisherige Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) wird in das BfArM eingegliedert. „Um eine möglichst reibungslose Fortführung und Weiterentwicklung der Datenaufbereitungsstelle zum Forschungsdatenzentrum zu gewährleisten, wird das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die Aufgabe des Forschungsdatenzentrums wahrnehmen“, so die Verordnung. Unter dem Dach des BfArM arbeitet das Forschungsdatenzentrum allerdings räumlich wie personell getrennt und unabhängig. Es darf keine Überschneidungen und Interessenkonflikte geben. Das BfArM hat zudem sicherzustellen, „dass niemand unbefugt Zugriff auf die Daten nehmen kann“.
Geliefert werden die persönlichen Gesundheitsdaten jedes Versicherten zunächst von den einzelnen Krankenkassen an den GKV-Spitzenverband. Dort werden sie pseudonymisiert und an die Vertrauensstelle weitergereicht. Diese verschlüsselt diese Datensätzen weiter und reicht sie an das Forschungsdatenzentrum beim BfArM weiter. Auf Antrag kann das Forschungsdatenzentrum diese Datensätze zu Forschungszwecken zugänglich machen. Auch die Einsicht in Einzeldatensätze ist möglich – aber nur unter strengen Auflagen. Es soll nicht möglich sein, aus den Datensätzen Rückschlüsse auf konkrete Personen ziehen zu können.
Übermittel werden von den Krankenkassen alle Patientendaten wie Alter, Krankheitsverläufe, Diagnosen und Therapien. Auch Arzneimitteldaten werden komplett erfasst. Der neue Datenkranz wird schrittweise eingeführt. Ab 2022 übermitteln die Krankenkassen für das Berichtsjahr 2021 die Angaben zum Versicherten und zum Versichertenstatus sowie die Kosten- und Leistungsdaten der ambulanten Versorgung, der ambulanten Operationen, der Versorgung mit Arzneimittel und der stationären Versorgung mit Ausnahme der Daten der vor- und nachstationären sowie ambulanten Krankenhausbehandlung. Ab 2024 wird für das Berichtsjahr 2023 erstmals der gesamte Datensatz übermittelt, inklusive der Hebammenleistungen, der Leistungen der sonstigen Leistungserbringer sowie der fehlenden Angaben bei der stationären Versorgung.
Die Daten der Arzneimittelversorgung werden wie folgt erfasst: die Pharmazentralnummer einschließlich der vereinbarten Sonderkennzeichen, das Verordnungsdatum, die Betriebsstättennummer, die lebenslange (Zahn-)Arztnummer das Datum der Abgabe, die Begründungspflicht, das Vertragskennzeichen, das Institutionskennzeichen der abgebenden Apotheke, die Kennzeichnung zum Sitz im In- oder Ausland der Apotheke, der Mengenfaktor laut Verordnung, der verwendete Anteil der Packung je Fertigarzneimittel und die Kennzeichnung von Verwurf bei parenteralen Zubereitungen oder der Abgabe wirtschaftlicher Einzelmengen, das Noctu-Kennzeichen, die Angaben zu Aut-Idem, Wirkstoffverordnung und Dosierung, den Sozialversicherungs-Bruttobetrag, die gesetzlichen Abschläge, die Zuzahlungen, die Angabe zur Eigenbeteiligung.
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