Am Donnerstag wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder über weitere Lockerungen der Corona-Maßnahmen beraten. Vorab hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Krankenhäuser schon mal aufgefordert, ihren Corona-Krisenmodus herunterzufahren und ab Mai wieder mehr freigehaltene Betten mit anderen Erkrankten zu belegen und aufgeschobene Operationen nachzuholen.
Nach fast sechs Wochen Aufschub und Absagen könnten die Kliniken nun wieder mehr planbare Operationen durchführen, heißt es in einem Konzept des Bundesgesundheitsministeriums: „Dies ist wichtig, da auch das Verschieben von dringlichen Eingriffen, etwa bei Tumoren, oder von planbaren Operationen, etwa zum Hüftersatz, für die betroffenen Patienten gesundheitliches und seelisches Leid nach sich ziehen.“ Eine ausschließliche Bevorzugung von Covid-19-Patienten lasse sich auf Dauer nicht rechtfertigen.
Spahn hatte bereits Mitte April erklärt, es gelte, ab Mai schrittweise in eine „neue Normalität im Klinikbetrieb“ zu kommen. Dabei gehe es um eine „schwierige Balance“ zwischen der regulären Versorgung bei Notfällen und wichtigen Operationen sowie notwendigen freien Kapazitäten für Corona-Patienten. Laut Ministerium steht Deutschland im europäischen und internationalen Vergleich grundsätzlich gut da mit seiner „sehr hohen“ Ausstattung von fast 34 Intensivbetten pro 100.000 Einwohner.
Für Corona-Erkrankte sollen nach Spahns Vorschlag in der Startphase nun zunächst nur noch 25 statt bisher 50 Prozent der Intensivbetten reserviert werden. Die OP-Kapazitäten sollten in einem ersten Schritt zu 70 Prozent für planbare Operationen geöffnet werden. Weiter wird in Spahns Konzept empfohlen, vor Aufnahme im Krankenhaus jeden Patienten auf das Virus zu testen und sie auch auf das mögliche Infektionsrisiko im Krankenhaus hinzuweisen. Zugleich sollen aber Erkrankte nicht abgeschreckt werden.
„Es gibt Anzeichen, dass Patientinnen und Patienten in Corona-Zeiten Notfälle wie Herzinfarkte und Schlaganfälle, aber auch Beschwerden aufgrund ihrer bestehenden chronischen Erkrankungen weniger zum Anlass nehmen, ärztliche Hilfe zu beanspruchen“, heißt es in dem Konzept. Dies verschlechtere die Versorgung insgesamt: „Es muss auch in Corona-Zeiten selbstverständlich bleiben, dass die Versorgung dieser Patientinnen und Patienten höchsten Stellenwert hat. Bürgerinnen und Bürger müssen neu dafür sensibilisiert werden, dass sie bei solchen Notfällen ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Die Angst vor einer Corona-Infektion darf hier nicht überwiegen.“
Im Kampf gegen die Pandemie hatten Bund und Länder die Kliniken Mitte März aufgefordert, alle planbaren OPs und Aufnahmen auszusetzen. Dies sollte vor allem in Intensivstationen vorsorglich freie Betten für eine erwartete große Zahl schwer kranker Corona-Patienten schaffen – auch mit Möglichkeiten zur künstlichen Beatmung. Doch auf der anderen Seite bedeutete diese Prioritätensetzung eine Geduldsprobe für viele andere Patienten mit ebenfalls wichtigen Anliegen.
In den Krankenhäusern würden die Kapazitäten wegen der Unsicherheiten über die weitere Entwicklung der Corona-Pandemie aktuell nicht vollständig genutzt, obwohl in der Woche nach Ostern der erste Höhepunkt des intensivmedizinischen Bedarfs in der ersten Welle der Corona-Epidemie erreicht worden sei, heißt es in dem Papier. Die Zahl der Corona-Neuinfektionen entwickele sich aufgrund der getroffenen Maßnahmen derzeit linear. Dies lasse es „nach fast sechs Wochen Aufschub und Absage verschiebbarer planbarer Operationen und Aufnahmen in den Kliniken zu, auch für die Kliniken schrittweise einen neuen Alltag zu entwickeln und ab Mai einen Teil der Krankenhauskapazitäten auch wieder für planbare Operationen zu nutzen“. Und weiter: „Eine dauerhafte ausschließliche Priorisierung nur einer bestimmten Patientengruppe unter Ausschluss anderer Gruppen von Erkrankten lässt sich insbesondere aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes nicht rechtfertigen.“
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