Seit Wochen und Monaten sorgen die anhaltenden Lieferengpässe bei Arzneimitteln in den Apotheken für Ärgern und in den Medien für Schlagzeilen. Jetzt will sich auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) der Defekte annehmen. „Das treibt mich sehr um“, sagte er bei der Bundeshauptversammlung des Virchowbundes. Es sei allerdings leichter gesagt als getan, eine Lösung für dieses Problem zu finden. Auf Nachfrage teilte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) allerdings mit, diese Aussage stehe „erst einmal für sich“. Ob dazu ein Maßnahmenpaket vorbereitet wird, bliebt daher offen.
CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich will Lieferengpässen mit weiteren gesetzlichen Maßnahmen begegnen. Erst kürzlich hatte er das BMG dazu aufgefordert, das Problem „differenziert“ zu diskutieren. „Lieferengpässe bei Arzneimitteln sind nicht mit therapeutisch relevanten Versorgungsengpässen gleichzusetzen. Oftmals stehen alternative Arzneimittel zur Verfügung, weshalb ein Lieferengpass nicht unbedingt zum Versorgungsengpass führen muss“, antwortete BMG-Staatssekretärin Sabine Weiss (CDU) auf eine parlamentarische Anfrage. Deswegen sei eine „differenzierte“ Betrachtung notwendig.
Als Gründe für Lieferengpässe sieht die Bundesregierung „sehr unterschiedliche Ursachen“. Globale Lieferketten mit der Konzentration auf wenige Herstellungsstätten könnten ein Grund sein, aber auch Qualitätsmängel bei der Herstellung, Produktions- und Lieferverzögerungen bei Rohstoffen oder Entscheidungen der Hersteller wie Produktionseinstellungen aus verschiedenen Gründen werden angeführt. Gefragt hatte die FDP nach der Bedeutung von Rabattverträgen und Festbeträgen.
Mit der Arbeit von Spahn zufrieden zeigte sich bei der Bundeshauptversammlung der Bundesvorsitzende des Virchowbundes, Dirk Heinrich: Er feierte den Einstieg in die Entbudgetierung als den größten politischen Erfolg, den die Ärzteschaft in den vergangenen zehn Jahren erreicht hat. „Darauf dürfen wir auch mal stolz sein“, sagte Heinrich laut einem Bericht des Ärzteblattes. Überhaupt zeigte er sich mit dem im Mai dieses Jahres in Kraft getretenen Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) zufrieden. Darin ist unter anderem geregelt, dass Ärzte für bestimmte Leistungen ein Extrahonorar außerhalb des üblichen Budgets abrechnen können. „Vor der Bundestagswahl hatten wir drei große Forderungen: den Erhalt des dualen Versicherungssystems, einen deutlichen Einstieg in die Entbudgetierung und eine Anerkennung der fachärztlichen Grundversorgung“, sagte Heinrich. „Wenn diese drei Forderungen dann im TSVG umgesetzt werden, kann man sich hinterher nicht beschweren.“
Heinrich lobte zudem den Politikstil von Spahn. „Seit seinem Amtsantritt gibt es eine neue Diskussionskultur, die wir sehr schätzen“, sagte er. „Es gibt wieder einen offenen Austausch von Positionen und Ideen.“ Referentenentwürfe seien nicht in Stein gemeißelt, sondern sie spiegelten das Ergebnis der geführten Diskussionen. Im Parlament sei es ebenso. Kritisch sieht Heinrich hingegen die Vielzahl der Gesetze und Gesetzesvorhaben, die in dieser Legislaturperiode aus dem Bundesgesundheitsministerium gekommen sind.
„Die Politiker von heute fühlen sich in einem Rechtfertigungsnotstand, sodass sie stets beweisen müssen, dass sie etwas für die Bürger tun“, meinte er. So habe sich in Deutschland ein Bemutterungsstil entwickelt, bei dem sich der Politiker als Kümmerer präsentiere. „Deshalb werden die politischen Vorgaben immer detaillierter“, sagte Heinrich. „Das müssen wir zur Kenntnis nehmen und unsere Rückschlüsse daraus ziehen.“
Mit dem TSVG wurden die grundversorgenden Ärzte dazu verpflichtet, offene Sprechstunde anzubieten. Die Ärzteschaft hatte kritisiert, dass dies zu Problemen im Praxisablauf führen werde. „Die offenen Sprechstunden mögen dazu führen, dass in diesen Zeiten besonders viele Patienten in die Praxen kommen“, sagte Spahn. „Wir schauen uns das in einem oder zwei Jahren an und gucken, ob es die Praxisabläufe zu sehr stört.“ Im Zweifel komme dann auch eine Änderung dieser Regelung in Betracht. Der Minister betonte, dass er sich nicht nur mit Gegenwartsfragen beschäftige, sondern auch an die Zukunft denke. „Wir wollen zum Beispiel einen Vorschlag für eine Umstellung der Finanzierung der Pflegeversicherung machen“, kündigte er an. Denn derzeit sei zu spüren, dass in diesem Bereich etwas in Balance gebracht werden müsse.
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