Mit leichter Verzögerung wird Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in den nächsten Tagen sein Gesetz zur ambulanten Versorgung vorlegen. Die Abstimmung in der Bundesregierung ist dem Vernehmen nach weitgehend abgeschlossen. In dem „Omnibus“-Gesetz will Spahn nicht nur die Ärzte verpflichten, mehr Praxisstunden für Kassenpatienten anzubieten. Für das Fixum von 70 Cent im Großhandelshonorar soll zudem ein Rabattverbot verhängt werden. Und Spahn will für Rabattverträge zu Grippeimpfstoffen mindestens zwei Anbieter vorschreiben.
Eine Erhöhung der fixen Großhandelsmarge ist im Gesetz offenbar zunächst nicht vorgesehen. Mit dem Rabattverbot für die 70 Cent reagiert Spahn zunächst kurzfristig auf das Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) im sogenannten AEP-Prozess. Dieser war aus den Reihen des Großhandels angestoßen und von der Wettbewerbszentrale geführt worden, weil AEP je nach Packungspreis 2 bis 3 Prozent Rabatt sowie bei Einhaltung der Zahlungsfrist 2,5 Prozent Skonto auf Rx-Produkte gewährt. Die Wettbewerbszentrale hatte darin einen Verstoß gegen die Preisbindung gesehen, da es sich beim Skonto um einen versteckten Rabatt handele.
Der BGH folgte 2017 dieser Einschätzung nicht. Die in der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) vorgesehenen Großhandelszuschläge legten eine Preisobergrenze, aber keine preisliche Untergrenze fest. „Der Großhandel ist danach nicht verpflichtet, einen Mindestpreis zu beanspruchen, der der Summe aus dem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers, der Umsatzsteuer und einem Festzuschlag von 70 Cent entspricht. Er kann deshalb nicht nur auf den in §2 Absatz 1 Satz 1 AMPreisV genannten preisabhängigen, bis zur Höchstgrenze von 3,15 Prozent veränderlichen Zuschlag, höchstens jedoch 37,80 Euro, sondern auch auf den darin erwähnten Festzuschlag von 70 Cent ganz oder teilweise verzichten“, so die BGH-Richter. Spahn will nun offenbar den ursprünglichen Willen des Gesetzgebers klarstellen und die 70 Cent als nicht rabattfähige Handlingpauschale festschreiben.
Reagieren will Spahn zudem auf die Probleme mit der Versorgung von Grippeimpfstoffen. Um Lieferprobleme zu vermeiden, sollen Rabattverträge mit mindestens zwei Anbietern abgeschlossen werden müssen. In der letzten Grippesaison gab es Diskussionen um einen Rabattvertrag der AOK Nordost.
Enthalten soll das Gesetz bereits zudem Regelungen für die elektronische Patientenakte (ePA). Krankenkassen wie die AOK, die TK und ein Verbund um die DAK haben bereits ePA entwickelt. Dafür fehlt jedoch der rechtlich verbindliche Rahmen, diese ePA im Rahmen der Gematik einsetzen zu können.
Kern des Gesetzes zur ambulanten Versorgung ist jedoch die Verkürzung von Wartezeiten in Arztpraxen. Dazu sollen die vorgeschriebenen Mindest-Sprechstunden für gesetzlich Versicherte von 20 auf 25 pro Woche erhöht werden. Die Ärzte fordern dafür entsprechend mehr Geld. Dies sehen die gesetzlichen Kassen aber „sehr kritisch“. Dem Vernehmen nach will Spahn den Ärzten dafür das Honorar um circa 450 Millionen Euro aufstocken.
Schon bei Amtsantritt hatte Spahn betont, wie schnell man einen Termin beim Arzt bekomme, sei das große Aufregerthema. Aus Sicht der gesetzlich Krankenversicherten gehöre es „zu Recht“ auf die Tagesordnung. Immer wieder werde beklagt, dass gesetzlich Versicherte länger auf Termine etwa beim Facharzt warten müssen, weil die Behandlung von Privatpatienten höher vergütet wird. Spahn hatte dazu rasch eine gesetzliche Regelung angekündigt. Eckpunkte für das Versorgungsgesetz sollten noch vor der politischen Sommerpause, die in der zweiten Juliwoche beginnt, vorgelegt werden.
Im Gesetz wird es auch eine Regelung zu Notfallversorgung geben. Immer mehr Patienten suchen die ambulanten Notfallversorgungen der Kliniken auf, weil sie nur schwer einen Termin beim Arzt erhalten. Viele dieser Fälle müssten aber nicht in Notfallambulanzen behandelt werden.
Dem Vernehmen nach will Spahn die Kassenärzte verpflichten, die Bereitschaftsdienstnummer zu einer bundesweiten und 24-stündigen Anlaufstelle für Akutfälle auszubauen. Patienten, die dringend ärztliche Hilfe benötigen, sollen zukünftig die 116117 rund um die Uhr wählen können. Fachkundiges Personal soll dann entscheiden, wo der Patient am besten behandelt werden kann – in der Arztpraxis, in einer Bereitschaftsdienstpraxis oder im Krankenhaus. Die Erfahrungen zeigen, dass vielfach bereits am Telefon geholfen werden kann. Zurzeit dürfen die KVen den Bereitschaftsdienst nur abends, nachts und am Wochenende anbieten. Die Nummer 116117 ist bereits seit mehreren Jahren bundesweit geschaltet, aber nur wenig bekannt.
Patienten, die ohne vorherigen Kontakt über 116117 eine Notfallambulanz in einer Klinik aufsuchen, könnte eine Extra-Gebühr abverlangt werden. Dagegen stemmt sich aber die SPD.
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