Spahn lässt Kassen in Steuerdaten schauen Lothar Klein, 11.11.2020 13:41 Uhr
Für Pflichtversicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) meldet der Arbeitgeber die Einkommenshöhe und führt die Beiträge an die Kassen ab. Freiwillig Versicherte müssen ihre Einkünfte selbst deklarieren. Das funktioniert nicht immer reibungslos. Daher will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) jetzt die Krankenkassen in die Steuerdaten dieser Versicherten schauen lassen. Das sieht Spahns Entwurf zum Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) vor. Laut BMG wird das Steuergeheimnis dadurch nicht verletzt.
GKV-Versicherte seien verpflichtet, auf Verlangen der zuständigen Krankenkasse über alle für die Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht erforderlichen Tatsachen unverzüglich Auskunft zu erteilen und bei Bedarf die erforderlichen Nachweise vorzulegen, heißt es im Gesetzentwurf. Von besonderer Bedeutung sei die Auskunftspflicht bei der Beitragsbemessung für freiwillig Versicherte, weil die Krankenkasse die notwendigen Informationen zu den beitragsrelevanten Einkünften bislang nicht über bestehende elektronische Meldeverfahren, sondern nur über die Auskunft des Mitglieds vollständig erhalten könne. Lege das Mitglied trotz Aufforderung keine Nachweise über die beitragspflichtigen Einnahmen vor, setzte die Krankenkasse Höchstbeiträge fest.
Die Einführung eines elektronischen Abrufverfahrens zwischen Finanzbehörden und Krankenkassen für die Einkommensdaten freiwillig Versicherter trage daher dazu bei, Beitragsschulden zu vermeiden, die durch die Festsetzung von Höchstbeiträgen wegen Nichtvorlage der erforderlichen Einkommensnachweise bei der Beitragsfeststellung entstünden, heißt es zur Begründung. Nicht erwähnt wird in der Begründung, dass auch zu geringe Einkommensmeldungen bei den Kassen nicht auffallen und sich freiwillig Versicherte so für einen zu geringen Beitrag Krankenversicherungsschutz erschleichen können.
Zugleich könne dadurch erheblicher Verwaltungsaufwand bei den Krankenkassen und bei den Mitgliedern vermieden werden, heißt es in der Begründung stattdessen weiter. Außerdem werde hiermit ein wesentlicher Beitrag für den Prozess der Digitalisierung und damit zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltung geleistet. Die vorgesehene Widerspruchslösung stelle sicher, dass das Mitglied frei entscheiden könne, welchen Auskunftsweg – Mitteilung durch das Mitglied selbst wie bisher oder Mitteilung durch die zuständige Finanzbehörde – es zur Erfüllung seiner bereits bestehenden gesetzlichen Auskunftspflicht gegenüber der Krankenkasse wählen möchte.
Der damit verbundene Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Mitglieder und ihrer Ehegatten und Lebenspartner sei deshalb verhältnismäßig, beugt das BMG zu erwartender Kritik am Steuerabgleich schon mal vor. Hinzu komme, dass das Mitglied nach wie vor die Möglichkeit habe, unter Inkaufnahme der Festsetzung des Höchstbeitrages eine Übermittlung des Einkommensnachweises insgesamt zu vermeiden. Zudem könnten die Kassen nur solche Daten bei den Finanzbehörden abfragen, die für die Beitragsbemessung tatsächlich erforderlich seien.
Die zuständigen Finanzbehörden werden verpflichtet, den Krankenkassen die angeforderten Daten unverzüglich mitzuteilen. Zur zeitlichen Einordnung und Identifizierung der Einkommensdaten für die Beitragsbemessung sind die notwendigen Informationen zum zugrundeliegenden Einkommensteuerbescheid des Mitglieds mitzuteilen. Dazu gehören Datum, der Veranlagungszeitraum sowie die Art des Steuerbescheides.
Ein freiwilliges Mitglied habe Beiträge aufgrund seiner gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu zahlen. Die Krankenkasse benötige daher für die Beitragsbemessung die im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Beträge aller Einkommensarten, durch die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beitragsrechtlich bestimmt werde. Die Erläuterungen zum Einkommensteuerbescheid könnten für die Krankenkassen ergänzende Hinweise zu weiteren beitragspflichtigen Einnahmen enthalten, wie zum Beispiel über Einkünfte aus dem Ausland, die in Deutschland steuerfrei sind, aber dem Progressionsvorbehalt unterliegen. Daher würden auch die Erläuterungen zur Steuerfestsetzung in das Übermittlungsverfahren einbezogen.
Um zu gewährleisten, dass sich das Mitglied frei dafür entscheiden könne, ob es durch Selbstauskunft seiner Auskunftspflicht nachkommen möchte oder ob die elektronische Anforderung bei der Finanzbehörde durchgeführt werde, habe das Mitglied innerhalb einer Frist von vier Wochen nach dem Hinweis durch die Krankenkasse das Recht, der Anforderung bei den Finanzbehörden zu widersprechen und innerhalb der Frist selbst Auskunft zu erteilen und die notwendigen Nachweise vorzulegen.
Die Krankenkasse erhält zudem das Recht, bei den Finanzbehörden die Steueridentifikationsnummer abzufragen, wenn diese ihr noch nicht bekannt ist. Dies sei erforderlich, um in einem nächsten Schritt eine zielgenaue Anforderung der Einkommensdaten des Mitglieds über das elektronische Abrufverfahren durchführen zu können.
Ebenfalls eingeführt wird ein elektronisches Abrufverfahren zu den erforderlichen Einkommensdaten des nicht gesetzlich versicherten Ehegatten oder Lebenspartners des Mitglieds, die für die Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder benötigt werden. Die Krankenkasse hat in diesem Fall zu prüfen, ob und in welcher Höhe sich das Mitglied Einkünfte des Ehegatten oder Lebenspartners als beitragspflichtigen Einnahmen anrechnen lassen muss. Das BMG sieht in dem Verfahren keine Verletzung des Steuergeheimnisses.