Spahn: Krebs in 10 Jahren besiegbar dpa, 01.02.2019 13:26 Uhr
Krebs endgültig besiegen – das wollen Mediziner schon lange. Mit Prognosen dazu halten sie sich zurück. Anders als Gesundheitsminister Spahn. Dessen «heroischen Aussagen» müssten nun erstmal Taten folgen, fordern Experten.
„Es gibt gute Chancen, dass wir in 10 bis 20 Jahren den Krebs besiegt haben”, sagte der CDU-Politiker der Rheinischen Post. Der medizinische Fortschritt sei immens, die Forschung vielversprechend. „Und wir wissen deutlich mehr. Es gibt Fortschritte bei der Krebserkennung, bei der Prävention.”
Der Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG), Johannes Bruns, reagierte zurückhaltend. Es werde sich sicher viel tun in den nächsten 10 bis 20 Jahren, gänzlich besiegt werde Krebs aber wohl nicht sein. „Das ist eine sehr heroische Aussage, da muss man vorsichtig sein.” Bei zwei Säulen der Krebsbehandlung – Chirurgie und Bestrahlung – tue sich derzeit nicht so viel, anders sehe das im Bereich der Chemotherapien aus. Arzneimittelhersteller und Start Ups investierten derzeit viel Geld in mögliche Mittel gegen Krebs.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz äußerte sich empört über die Aussage des Ministers. „Es ist unverantwortlich, angesichts dieser Entwicklung und dem Leiden so vieler Menschen zu behaupten, es gebe gute Chancen, den Krebs in 10 bis 20 Jahren besiegt zu haben”, erklärte Vorstand Eugen Brysch. „Ein Gesundheitsminister sollte nicht für eine Schlagzeile das Vertrauen der Patienten verspielen.”
Krebs ist nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen die zweithäufigste Todesursache in Deutschland. 90 Prozent der jährlich rund 230.000 Krebstodesfälle gehen inzwischen nicht auf den Primärtumor, sondern auf Metastasen zurück. Ansätze dagegen zu finden, sei die große Herausforderung für die Wissenschaft derzeit, hatte Andreas Fischer vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) kürzlich erklärt.
Der Medizinische Leiter der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO), Bernhard Wörmann, sagte, es gebe vielversprechende neue Therapieansätze bei sehr unterschiedlichen Krebsarten, wahrscheinlicher als ein „Besiegen” von Krebs sei aber ein „Beherrschen”. Als ein Beispiel nannte er die chronische myeloische Leukämie (CML), bei der Betroffene nach bisherigen Daten inzwischen wohl eine normale Lebenserwartung haben.
Auch bei anderen Krebsarten werde es nicht um Heilung gehen, sondern darum, die Krankheit mit lebenslang einzunehmenden Medikamenten in Schach zu halten. Beim Thema Vorsorge sei zu bedenken, dass zwar viele Tumoren auf veränderbare Lebensstilfaktoren wie Rauchen und Übergewicht zurückgehen, ein Teil aber auch genetisch bedingt sei oder durch Infektionen entstehe, erklärte Wörmann, Krebsmediziner an der Charité in Berlin. „Nicht jeder Krebs ist vermeidbar.”
Gentherapien gegen Krebs seien in der Entwicklung, aber ein großflächiger Einsatz in so kurzem Zeitraum sei nicht zu erwarten. Wörmanns Fazit lautet daher: „Wir werden aus vielen akuten Krebserkrankungen chronische machen können, aber 'besiegen' im Sinne von gar keinen Krebs mehr haben, das halte ich für unrealistisch.”
Die Bundesregierung hatte am Dienstag angekündigt, Krebs mit mehr Forschung und Vorbeugung eindämmen und die Umstände für Betroffene erleichtern zu wollen. Zum Start einer Initiative „Nationale Dekade gegen den Krebs” kündigte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) die Förderung von Studien zu Prävention, Diagnose und Therapie von Krebserkrankungen an. Bis zu 62 Millionen Euro könnten hierfür fließen. „Zehn Jahre lang mobilisieren wir alle Kräfte”, sagte Karliczek am Freitag im Bundestag. „Wir wollen Krebs besser verstehen, wir wollen Krebs verhindern, wir wollen Krebs heilen.”
Die Initiative sei zu begrüßen, sagte DKG-Generalsekretär Bruns. Wichtig sei dabei allerdings, den Weg von der Wissenschaft in die Versorgung zu bahnen. Derzeit gebe es vielfach große Hürden für den Schritt vielversprechender Ansätze aus der Forschung in die Praxis. Spahns markanter Aussage müssten nun auch Taten folgen, betonte Bruns. „Forschung dient der Versorgung, daran misst sich der Erfolg”, ist er überzeugt. „Tolle Studien reichen nicht, der Patient muss auch profitieren, sonst sind das Fehlinvestitionen.”