Kommentar

Spahn-Kandidatur: Und nun, Apotheker?

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Berlin -

18 Jahre hat Angela Merkel die CDU dominiert, die konservative Traditionspartei nicht nur aus den Wirren der Spendenaffäre von Altkanzler Helmut Kohl geführt, sondern ihr ein modernes Frauen- und Familienbild verpasst. Als Kanzlerin hat sie der Union über 13 Jahre Macht und Einfluss gesichert. Ihr Abgang in Raten wirbelt die Politik auf. Auch die Apotheker stürzt Merkels Rückzug in neue Unsicherheiten, kommentiert Lothar Klein.

Merkels Rückzug vom Parteivorsitz markiert das Ende einer weitgehend erfolgreichen Ära. Zugleich startet das Schaulaufen der Kandidaten. Gut möglich, dass es erstmals in der Geschichte der CDU zu einer Wahl zwischen mehreren Kandidaten mit verschiedenen politischen Ansichten kommt. Das verspricht nicht nur Spannung.

Mit ihrer Entscheidung, Parteivorsitz und Kanzlerschaft aufzuteilen, geht Merkel ein großes Wagnis ein, das ihrer weltweiten Reputation als Politikerin noch schweren Schaden zufügen kann. Ab sofort ist die erste Frau im Kanzleramt nur noch eine „lame Duck“. Weil ihr die Instrumente zur Durchsetzung politischer Entscheidungen fehlen, dürfte es einsam um sie herum im Kanzleramt werden.

In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gibt es mit Ralph Brinkhaus seit wenigen Wochen bereits ein neues Machtzentrum. Die überraschende Abwahl von Volker Kauder war der erste Hinweis auf den Machtverlust der Kanzlerin in den eigenen Reihen. Die Aufspaltung von Parteivorsitz und Regierungsamt schwächt Merkels Position weiter, weil auch das Adenauer-Haus künftig mitregieren will. Als gelernte Physikerin ist Merkel für ihre emotionslosen Analysen und Entscheidungen bekannt. Hier hat es allerdings den Anschein, als klammere sich sich wider besseren Wissens an den Regierungssessel. Das wird vermutlich nicht lange gelingen.

Vor allem nicht, wenn sich der CDU-Parteitag dazu entschließen sollte, ihren alten Rivalen Friedrich Merz zum neuen Vorsitzenden zu wählen. Merz und Merkel haben nicht nur unterschiedliche Temperamente, sie vertreten unterschiedliche Strömungen. Merz genießt als Wirtschaftsliberaler vor allem Ansehen beim Wirtschaftsflügel der Union, der sich unter Merkel seit Langem an den Rand gedrückt fühlt. Da gibt es viele offene Rechnungen.

Merz steht auch in der Ausländerpolitik für einen anderen Kurs. Im Jahr 2000 brachte Merz den Begriff „deutsche Leitkultur“ ins Gespräch und forderte unter anderem auch von Muslimen, „unsere Sitten, Gebräuche und Gewohnheiten“ zu akzeptieren. Das ist nicht Merkels Politik und Stil. Wenn Parteivorsitz und Kanzleramt nicht an einem Strang ziehen, stellt sich früher als später die Machtfrage. Und die kann Merkel nur verlieren.

Wie Merz zählt auch Jens Spahn zum konservativen Flügel der CDU. Seit Monaten unterstreicht Spahn mit seinen Äußerungen jenseits der Gesundheitspolitik seinen Macht- und Führungsanspruch. Anders als Merz hat sich Spahn allerdings in den letzten Wochen mit seinen Plänen zur Verbesserung der Pflege, zur Verringerung der Wartezeiten in Arztpraxen und zur Organspende ein soziales Image erarbeitet, dass ihn auch für andere Flügel in der CDU wählbar erscheinen lassen könnte. Mehr noch: Spahn kämpft seit zehn Jahren in der CDU für seine Überzeugungen, während Merz seit zehn Jahren seine politische Karriere mit Aufsichtsratsposten versilbert hat – auch das könnte noch Bedeutung gewinnen.

Allerdings: Spahn und Merz schöpfen beide aus dem konservativen Lager der CDU. Treten sie tatsächlich gegeneinander an, könnte am Ende Annegret Kramp-Karrenbauer als Siegerin hervorgehen. Kramp-Karrenbauer ist nicht nur Merkels Wunschkandidatin für ihre Nachfolge, sie erinnert in vielen – vielleicht zu vielen Eigenschaften – an Merkel selbst. Als CDU-Generalsekretärin hat die Saarländerin bislang keine Akzente zu setzen vermocht, die politische Fantasie nicht beflügelt. Ob eine Partei, die sich erneuern will, eine Merkel-Kopie wählt, weil sie das Risiko scheut, bleibt abzuwarten.

Auch die Apotheker werden den Personalwechsel an der CDU-Spitze mit nervösem Interesse verfolgen. Steigt Spahn zum Parteichef auf, wird er den Posten des Gesundheitsministers räumen. Denn dann kann er nicht zugleich in der Kabinettsdisziplin unter Merkel Dienst tun. Damit kommen – zumindest bis Anfang Dezember – neuen Unsicherheiten auf die Apotheker zu. Am 5. Dezember soll die ABDA-Mitgliederversammlung über einen Plan B zum Rx-Versandverbot entscheiden. Niemand kann vorhersehen, wen die CDU zwei Tage später zu ihrem Vorsitzenden wählt.

Ist es daher besser, mit Spahn noch einen Deal abzuschließen oder auf einen Nachfolger im BMG zu hoffen? Beides ist riskant. Und vor allem: Zerbricht die große Koalition, bevor ein Apothekengesetz verabschiedet werden kann, wäre alles verloren. Denn angesichts der Umfragen ist keine neue Bundesregierung in Sicht, von der die Apotheker überhaupt noch ein Entgegenkommen erwarten könnten.

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