Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will mehr Tempo bei Entscheidungen, dass neue Behandlungsmethoden von der Kasse bezahlt werden – auch durch stärkere Eingriffsrechte der Politik. Der zuständige Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) soll mit Bewertungen künftig nach zwei Jahren fertig sein. Andernfalls soll das Ministerium per Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats direkt selbst entscheiden können. Das geht aus einem Änderungsantrag zu einem anderen Gesetzgebungsverfahren hervor. Beim Koalitionspartner SPD und im Gesundheitswesen löste der erneute Vorstoß scharfen Protest aus.
Der G-BA warnte in einer Stellungnahme vor einem „Schritt zurück ins medizinische Mittelalter“. Per Ministerverordnung könnten Methoden mit völlig ungeklärtem Nutzen und Schaden in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gelangen. Der Vorsitzende des Gremiums, Josef Hecken, sprach am Freitag von einem Einfallstor für eine Gesundheitsversorgung nach Beliebigkeit und nach Lautstärke der Artikulation von Lobbyinteressen.
Die Pläne verstießen außerdem gegen das Prinzip, dass Kassenleistungen wirtschaftlich sein müssten. Konkret geht es um eine Verkürzung der bisherigen Frist, dass die Bewertung neuer Methoden „in der Regel innerhalb von spätestens drei Jahren“ abzuschließen ist. Demnach soll nach zwei Jahren künftig das Ministerium selbst am Zug sein und entscheiden können. Dies soll auch dann gelten, wenn der G-BA einen Nutzen nicht hinreichend belegt sieht – dies „nach den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin“ aber vertretbar wäre oder sonst „keine ausreichende Versorgung“ bestehe.
Dies könne Methoden betreffen, die medizinische Fachgesellschaften und Patientenorganisationen als unbedingt erforderlich einschätzen. Die Chefin des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, betonte, auch in Zukunft komme es bei neuen Leistungen auf geprüfte Qualität, nachgewiesenen Nutzen und echten Fortschritt für die Patienten an. „Dafür brauchen wir zuverlässige und transparente Verfahren und keine Entscheidungen, die auf Anweisung eines Ministers mal so und mal so getroffen werden können.“
Die SPD widersprach Spahns Plänen umgehend. „Wir lehnen das ab. Das wird nicht kommen“, sagte Fraktionsvize Karl Lauterbach dem „Handelsblatt“. „Wir wollen das bewährte System in keiner Weise dahingehend verschlechtern, dass der Minister selbst über Kassenleistungen entscheiden kann.“
Die SPD-Gesundheitspolitikerin Sabine Dittmar sagte, Entscheidungen des G-BA müssten zweifelsohne schneller getroffen werden. Per Ministererlass wäre es jedoch der völlig falsche Weg. „Das würde nicht nur Haftungsfragen, sondern auch Fragen zur Patientensicherheit aufwerfen.“
Spahn hatte im Januar bereits einen Anlauf unternommen, per Verordnung den Weg freizumachen für eine Kostenübernahme für das Absaugen von Körperfett bei besonders schwer erkrankten Frauen. Dies hatte in der Koalition und der Branche massive Kritik ausgelöst. Der Vorstoß für diese Krankheiten wurde daraufhin zurückgestellt.
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