Im Rahmen des laufenden Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Bundesrepublik wird die EU-Kommission das heute vom Kabinett verabschiedete Apothekenstärkungsgesetz checken. Er werde „zeitnah“ das Gespräch mit der EU-Kommission suchen, sagte Spahn. Es habe bereits Nachfragen zum Apothekenstärkungsgesetz gegeben. Zu den Erfolgsaussichten äußerte sich Spahn nicht.
Im März hatte die EU-Kommission die Bundesregierung aufgefordert, innerhalb von zwei Monaten ein Konzept zur Aufhebung der Preisbindung für ausländische Versender vorzulegen. Sonst drohe der Bundesrepublik eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Das System der Festpreise nach deutschem Recht (Arzneimittelgesetz) verringere die Möglichkeiten der Apotheken, Rabatte anzubieten, und schränkte den Handel zwischen den EU-Ländern ein, hieß es in dem Mahnschreiben.
Die Kommission vertrat die Auffassung, dass solche nationalen Vorschriften gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs verstoßen. Bereits im November 2013 habe man ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, indem sie ein Aufforderungsschreiben an die deutschen Behörden gerichtet habe, erinnerte die Kommission. In der Zwischenzeit habe ein Urteil des EuGH in der Rechtssache Deutsche Parkinson Vereinigung die Beurteilung bestätigt.
Daher forderte die Kommission jetzt Deutschland auf, die Rechtsvorschriften zu ändern, um sie an die EU-Vorschriften „ohne Verzögerung“ anzupassen. Da Deutschland keine Maßnahmen ergriffen habe, habe man beschlossen, eine mit „Gründen versehene Stellungnahme“ zu übermitteln. „Deutschland hat jetzt zwei Monate Zeit, um die Situation zu verbessern. Andernfalls kann die Kommission beschließen, Deutschland vor dem Gerichtshof der EU zu verklagen“, so die Pressemitteilung vom März. Gestützt auf dieses Schreiben geht man in der SPD von einer Ablehnung des Boni-Verbots im SGB V durch die Kommission aus. Daraufhin versicherte die Bundesregierung der EU-Kommission in einer Stellungnahme, dass die Preisbindung im Arzneimittelgesetz (AMG) gestrichen werde und verwies auf den Referentenentwurf. Das wird jetzt erfolgen. Damit wurde zwar ein langwieriges Notifierungsverfahren vermieden. Andereseits bleibt offen, wie der deutsche Gesetzgeber auf ein Nein der EU-Kommission reagieren wird.
Die damalige schwarz-gelbe Koalition hatte im Oktober 2012 das Arzneimittelgesetz (AMG) geändert. Immer wieder hatte es gerichtliche Auseinandersetzungen zu Rx-Boni ausländischer Versandapotheken gegeben. Daher wurde ausdrücklich festgeschrieben, dass die Preisbindung auch für Arzneimittel gilt, die von Apotheken aus dem EU-Ausland an Patienten in Deutschland abgegeben werden. Zuvor hatte schon der Gemeinsame Senat der obersten Bundesgerichte im August 2012 entschieden, dass gleiches Recht für alle gilt.
Der Verband der Europäischen Versandapotheken (EAMSP) hatte sich in Brüssel über das Urteil und die Gesetzesänderung beschwert. Die EU-Behörde wurde schnell aktiv: Am 4. Dezember 2012 erkundigte sich die Dienststelle der Kommission bei der deutschen Regierung, ob die Ausweitung des Geltungsbereichs der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) auf EU-Apotheken außerhalb Deutschlands gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs verstoße. Berlin sollte zudem erklären, warum die AMG-Änderung den europäischen Kollegen nicht mitgeteilt wurde und ob die niederländische Behörde unterrichtet worden sei.
Das Bundesaußenministerium, damals unter der Leitung von Guido Westerwelle (FDP), antwortete der Kommission am 29. Januar 2013. Die Preisbindung stelle „keinerlei Diskriminierung zwischen deutschen und ausländischen Versandapotheken“ dar und sei „aus Gründen des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt“. Eine Mitteilungspflicht für die Gesetzesänderung wurde in Berlin gänzlich bestritten. Die Antwort wurde von der Kommission als „nicht in allen Punkten zufriedenstellend“ zurückgewiesen. Am 20. November 2013 schrieb Vizepräsident Antonio Tajani erneut an Westerwelle und teilte ihm mit, dass Deutschland gegen seine Verpflichtungen aus den EU-Verträgen verstoße.
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