Spahn: Digital-Angebote gegen überfüllte Praxen dpa, 19.03.2018 12:29 Uhr
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn setzt auch auf neue digitale Angebote, um überfüllte Arztpraxen zu vermeiden. „Bei vielen Arztbesuchen geht's um kurze, abklärende Gespräche“, sagte der CDU-Politiker der „Bild am Sonntag“. Kleine Fragen ließen sich aber auch online in wenigen Minuten unkompliziert klären. „Die Wartezimmer würden deutlich leerer, und es wäre mehr Zeit für die aufwendigeren Fälle.“ Die freie Arztwahl wolle er ausdrücklich erhalten. Jeder Patient sollte sich aber fragen, ob ein Arztbesuch wirklich nötig sei, gerade an Wochenenden. „Die Rückenschmerzen, die man seit drei Wochen hat, sind kein Fall für den Notdienst“, erklärte Spahn.
Verstärken will der Minister Forschungsprogramme und die europäische Kooperation für den Kampf gegen bisher nicht heilbare Demenz. „Wenn wir die Daten von Millionen Demenzkranken in Europa anonymisiert zusammenführen und auswerten könnten, würden wir bestimmt neue Erkenntnisse erlangen.“ Eine Stellschraube seien auch Preise neuer Arzneimittel, die für Anbieter so sein müssten, dass sich Forschung lohne. „Ich wünsche mir, dass wir die Demenz besiegen können.“
Wie im Koalitionsvertrag von Union und SPD vereinbart, will Spahn die wöchentlichen Sprechzeiten von Ärzten für Kassenpatienten ausweiten, damit gesetzlich Versicherte schneller an Termine kommen. Um Ärzte dahin zu locken, wo sie dringend gebraucht werden, sollten Regionen mit zu wenigen Medizinern attraktiver gemacht werden. Dazu gehöre auch, überversorgte Stadtteile für Arzt-Neuzulassungen zu sperren.
Das Krankenhaus-Angebot soll stärker differenziert werden, wie Spahn deutlich machte. „Nicht jedes Krankenhaus muss jede Operation anbieten.“ Er wolle mit den für die Planung zuständigen Ländern über ein „intelligentes Versorgungsnetz von der wohnortnahen Kreisklinik bis zur Universitätsmedizin“ sprechen. Komplizierte und planbare Operationen sollten besser spezialisierte Krankenhäuser vornehmen.
Der CDU-Politiker wies den lange von der SPD erhobenen Vorwurf einer „Zwei-Klassen-Medizin“ in Deutschland zurück. „Natürlich können sich manche das Einzelzimmer leisten. Entscheidend ist aber, dass niemand eine Behandlung «zweiter Klasse» bekommt.“ Auch Kassenpatienten würden aber auf höchstem medizinischen Niveau behandelt.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz mahnte praktische Antworten auf die Nöte pflegebedürftiger Menschen an. „Der Markt für häusliche Pflege ist leergefegt, Kassenärzte mit Hausbesuchen sind eine Seltenheit, die Kosten für Heime steigen, und ein brauchbarer Pflege-TÜV fehlt“, sagte Vorstand Eugen Brysch. „Hier muss der neue Gesundheitsminister liefern.“
Eine unzureichende Internetversorgung bremst aus Sicht der Hausärzte die Digitalisierung im Gesundheitswesen bisher aus. „Das ist als wolle man Autofahren, aber ohne Straße», sagte der Chef des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt. Die Politik habe das Problem seit Jahren vor sich hergeschoben. Von der Digitalisierung erwartet Weigeldt eine bessere Kommunikation zwischen Ärzten, Patienten und Krankenkassen sowie einen Abbau von Bürokratie. Als Erfolg versprechendes Projekt nannte er die Digitalisierung der medizinischen Fachangestellten: Sie könnten bei Hausbesuchen erhobene Patientendaten dem Praxisarzt übermitteln und ihn so entlasten.