Spahn: Corona-Infektion macht „demütig“ dpa, 29.10.2020 10:09 Uhr
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat die vom Bund und den Ländern bis Ende November vereinbarten harten Maßnahmen gegen die Pandemie verteidigt. Das sei eine schwere Zeit für die Betroffenen, aber Kontakte müssten unbedingt verringert werden, sagte der CDU-Politiker am Donnerstagmorgen in einem Telefon-Interview im WDR. Die Infektionszahlen stiegen gerade bei den Älteren wieder rasant. „Ich will nicht warten, bis die Intensivstationen überfüllt sind“, sagte er. „Wenn sie überfüllt sind, ist es zu spät.“
Er selbst habe durch seine eigene Corona-Erkrankung einen anderen Blick auf die Pandemie gewonnen. Die Erfahrung habe ihn „demütig“ gemacht, sagte Spahn. Es gehe ihm selbst gut, er habe nur leichte Erkältungssymptome. Die Arbeit seines Gesundheitsamtes vor Ort habe er als professionell und unaufgeregt empfunden, sagte der Minister. Spahn ist derzeit in häuslicher Quarantäne. Bund und Länder hatten am Mittwoch die einschneidendsten Maßnahmen seit dem großen Lockdown im Frühjahr beschlossen. Ab Montag sollen unter anderem Restaurants, Kinos und Theater für den gesamten Monat November schließen. In dieser Zeit dürfen sich auch nur wenige Menschen privat treffen.
Der Blick in Nachbarländer wie Belgien oder die Niederlande zeige, dass Infektionszahlen auch entgleiten könnten. Deutschland habe eine gute Chance, den richtigen Zeitpunkt für die Bekämpfung der Pandemie zu treffen, sagte Spahn. Eine Pandemie in einer derart vernetzten Welt habe es noch nie gegeben. Bei ihrer Bekämpfung würden zwangsläufig auch Fehler gemacht, sagte der Politiker aus dem Münsterland. Diese Fehler müsse man besprechen. Ihn störe aber die Unerbittlichkeit und Härte, mit der dabei vielfach argumentiert werde.
In der WDR-Sendung stellte sich Spahn für eine halbe Stunde den Fragen der Zuhörer. Die Fragen betrafen etwa den öffentlichen Nahverkehr, in dem Abstände oft kaum einzuhalten seien. Spahn sagte, neben der Maske helfe dabei auch die Corona-Warn-App. Sie könne „den Unterschied machen“. Einen Angehörigen einer Skatrunde musste der Minister vertrösten. Treffen mit Angehörigen dreier Haushalte seien derzeit nicht möglich. Die Teilnehmer sollten versuchen, ihre Skat-Treffen in den kommenden Wochen digital zu organisieren.
Auch Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) hat die einschneidenden Corona-Maßnahmen im November verteidigt. „Wir müssen jetzt als Politik mit einem klaren Signal vorangehen, weil das frühe Handeln im Endeffekt uns das mildere Handeln ermöglicht“, sagte Braun am Donnerstag im Deutschlandfunk. Die Maßnahmen seien notwendig und verhältnismäßig, um vor Krankheit zu schützen, aber auch – wenn eine Situation der völligen Überforderung eintrete – massive Wirtschaftseinbrüche zu verhindern.
Braun stellte sich hinter die umstrittene Schließung von Gastronomiebetrieben. „Wir müssen natürlich priorisieren“, sagte er. Schulen, Bildung und den Großteil von Handwerk, Mittelstand und Wirtschaft wolle man voll aufrechterhalten. „Aber irgendwo müssen wir die Kontakte reduzieren.“ Das sei am verhältnismäßigsten bei den Freizeitaktivitäten. Die Betriebe bekämen 75 Prozent des Umsatzes des vergangenen Novembers vom Staat erstattet. Das sei sehr, sehr teuer, aber sicher angemessen, um den Betroffenen durch den harten Monat zu helfen.
Zu Einwänden, man könne ja versuchen, vor allem die ältere Bevölkerung vor Infektionen zu schützen, sage Braun: „Das übersieht, dass wir noch sehr unsicher sind, ob es nicht bei den milden Verläufen Jüngerer langfristige Folgeschäden geben kann“. Außerdem unternehme man bereits sehr viel, um Ältere und Kränkere in Krankenhäusern oder Pflegeheimen gut zu schützen. Trotzdem seien diese Menschen bei Anstiegen immer wieder stark betroffen. Er gehe davon aus, dass die große Mehrheit die Maßnahmen einhalten werde. „Ein kleiner Teil tut's nicht“ – da müsse es strengere und regelmäßigere Kontrollen geben. Im privaten Bereich werde sich aber nichts ändern: „Wir werden natürlich keine Kontrollen im privaten Raum standardmäßig durchführen.“