CDU-Vorsitz

Spahn auf Aufholjagd

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Berlin -

Jens Spahn ist im Wahlkampfmodus – parteiintern, aber so offensiv wie man es von ihm gewohnt ist. Gestern Abend haben die drei Spitzenkandidaten um den CDU-Vorsitz bei der ersten Regionalkonferenz in Lübeck ihre Feuertaufe im Rennen um die Parteispitze absolviert. Spahn weiß, dass er hinten liegt – und legt sich entsprechend ins Zeug.

Dem Gesundheitsminister wird eine Affinität zu sozialen Medien nachgesagt. Mit seinem neuen Eigenwerbevideo, das er pünktlich vor der ersten Regionalkonferenz veröffentlicht hat, empfiehlt er sich aber nicht gerade als Influencer: 500 Aufrufe in mehr als 24 Stunden sind zumindest kein Spitzenwert für ein Mitglied der Bundesregierung. Das Video steht seinem Vorgänger im Stil nicht nach, Spahn versucht sich mit schnellen Schnitten als junger Neustarter zu inszenieren.

Inhaltlich wird er dieses mal aber konkreter. Die CDU müsse offen debattieren, gemeinsam entscheiden und verlässlich sein. „Das war zuletzt nicht immer so, zum Beispiel bei der Migration, bei der Energiewende, bei der Wehrpflicht“, so der Gesundheitsminister aus dem Off. „Da haben wir wenig diskutiert und unüberlegt gehandelt.“ Bei grundsätzlichen Entscheidungen wolle er deshalb in Zukunft alle Mitglieder fragen. In den Diskussionen gebe es „zu viele Moralkeulen“, die CDU müsse „selbstbewusster sein und größer denken“.

Diskussion, Mitglieder, Moralkeulen: Vor 800 Parteigenossen in der Lübecker Gollan-Kulturwerft wollte Spahn nun gegenüber Friedrich Merz und Annegret Kramp-Karrenbauer Boden gutmachen. Erneuerung und Aufbruch versprechen sie alle drei, die meisten Beobachter sind sich aber einig, dass Spahn den schärfsten Ton hatte – und am nervösesten wirkte. Er will sich als Konservativer Law-and-Order-Mann profilieren und rechts fischen.

Während Konkurrent Friedrich Merz ankündigt, er wolle der AfD „die Hälfte ihrer Stimmen abjagen“, legt sich Spahn dazu direkt ins Zeug: „Wir sind kein multikulturelles Land“, wirft er die Populismuspumpe an. Und die läuft rund: Selbst die CSU-Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr sei ihm noch zu hoch, so der Gesundheitsminister, der seine steilen Thesen im nächsten Atemzug wieder etwas einzufangen versucht: Deutschland sei aber dennoch weltoffen und tolerant, beteuert er.

Die Karte Offenheit und Toleranz spielt er dann auch gegen seine Konkurrentin Annegret Kramp-Karrenbauer. Die ist nämlich bekennende Gegnerin der Ehe für alle und hat entsprechend im Bundestag gegen die Öffnung der Eheschließung für gleichgeschlechtliche Paare gestimmt. Insbesondere ein Interview aus dem Jahr 2015 hält Spahn ihr vor. Lässt man Homosexuelle heiraten, so AKK damals, seien danach andere Forderungen wie die Heirat unter Verwandten oder unter mehr als zwei Menschen nicht mehr auszuschließen.

Wenn seine Ehe mit einem Mann „in einem Atemzug mit Inzest oder Polygamie genannt wird, trifft mich das persönlich“, schoss Spahn vor ein paar Tagen gegen Kramp-Karrenbauer. Er habe mit mit ihr sachlich über das Thema gesprochen und das Problem ausgeräumt, betonte Spahn dann in Lübeck – bei anderen Themen müsse das auch gehen. Für eine „entspannte Gelassenheit“ gegenüber Minderheiten mache er seit 20 Jahren Politik, so der 38-Jährige.

Im Vorfeld hatte Spahn sich vor allem mit der Arbeit in seinem Hauptberuf als Gesundheitsminister weiter profiliert. Fast täglich hatte er sich mit neuen oder alten Vorschlägen in die Schlagzeilen gebracht und dafür wechselndes Echo erhalten. Mit der aufgewärmten Idee, dass Kinderlose höhere Beiträge zahlen sollen, hat er erwartungsgemäß keine Freudenstürme verursacht.

Bessere Öffentlichkeitsarbeit ist da schon die Ankündigung der Novelle zum Arzneimittelgesetz. So kann Spahn endlich ein festes Datum für die Einführung des E-Rezeptes vorweisen: Spätestens zum 1. Februar 2020 soll es kommen. Außerdem zieht das Bundesgesundheitsministerium mit dem Gesetzesentwurf Konsequenzen aus mehreren Arzneimittelskandalen der letzten Jahre, von der Alten Apotheke in Bottrop, über verunreinigtes Valsartan bis zum Parallelimporteur Lunapharm.

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