Kommentar

Sozial oder asozial?

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Berlin -

Sei es die „Praxis ohne Grenzen“ oder die Eisenacher „Medikamenten-Tafel“: Für soziale Projekte, bei denen Arzneimittel umsonst oder mit großzügigem Rabatt an bedürftige Kunden abgeben werden, haben Apotheker nicht allzu viel übrig. Könnten die Pharmazeuten nicht einfach aufspringen und ein paar Euro opfern, um ihren Ruf endlich einmal zu verbessern? Oder sind die Gegenargumente doch so stichhaltig, dass sie ein Engagement unmöglich machen?

 

Als Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr kürzlich die „Praxis ohne Grenzen“ unterstützen wollte, musste er Prügel einstecken. Einmal abgesehen davon, wie ernst es dem FDP-Politiker mit der Aktion überhaupt wirklich war – prompt schlugen ihm Wellen der Empörung entgegen: Was ist mit dem Haftungsrisiko, was ist mit der freien Therapie- und Apothekenwahl? Ist das der Einstieg ins Dispensierrecht für die Ärzte, in die Zwei-Klassen-Medizin?

Mit einer solchen Abwehrhaltung helfen sich die Apotheker natürlich nicht. Wieder einmal sind sie die Besitzstandswahrer, die geldgierigen, nie zufriedenen Schubladenzieher, die selbst bei Inhabern von Tafel-Ausweisen keinerlei Mitgefühl – hier: Rabatte – kennen.

Andererseits sind Fragen angebracht: Wenn Restmedikamente weiter verwendet werden sollen, warum dann eigentlich nur bei Bedürftigen? Wenn Sozialschwache Anspruch auf OTC-Medikamente haben, warum bezahlen dann nicht die Kassen? Und wenn Sponsoren schon die Kosten übernehmen, warum gibt es dann nur bestimmte Medikamente? Bahr gab bei seiner jüngsten Charme-Offensive darauf jedenfalls keine Antworten – ihm ging es wohl eher um die schnelle Story als um nachhaltigen Erfolg.

Wenn Apotheker im OTC-Bereich bedürftigen Mitbürgern Rabatte gewähren sollten, müssten nicht nur sie das Verzichten lernen – sondern auch ihre Kunden das Gönnen. In Eisenach und Dülmen wird das Projekt allerdings von Sponsoren finanziert. Das ist nur auf den ersten Blick ein soziales Engagement. Das ist Kassen-Ersatz.

Die eigentliche Frage ist also, ob solche Hilfsprojekte – so ehrenvoll sie sein mögen – geeignet sind, strukturelle Probleme zu lösen. Oder ob es nicht am Ende asozialer ist, bei sozial schwächeren Menschen das Recht auf eine angemessene medizinische Versorgung davon abhängig zu machen, dass sie bei einer Hilfseinrichtung registriert sind und dass sich Sponsoren finden.

 

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